piwik no script img

Vom Nordirak in die TürkeiFriedensmarsch der PKK

Mit einem "Friedensmarsch" vom Nordirak zur türkischen Grenze testete gestern die kurdische Guerillaorganisation PKK die neue Kurdenpolitik der türkischen Regierung.

Kurdische Demonstrantinnen supporten die PKK-Rebellen auch mit Gesang. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Auf Anregung des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan machten sich 34 Personen in drei Gruppen aus verschiedenen Gegenden des Nordirak zum Grenzübergang Habur auf, um sich dort der türkischen Staatsgewalt zu stellen. Am Nachmittag überquerte die Delegation die Grenze und wurde dort von Freunden und der Polizei erwartet.

Seit dem Morgen wartete eine große Menge kurdischer Sympathisanten am türkisch-irakischen Grenzübergang Habur auf die Abgesandten der PKK. Die gesamte Parteispitze der legalen kurdischen DTP war vertreten. Parteichef Ahmet Türk warnte die türkische Regierung, die Geste als Schwäche misszuverstehen. Man wolle vielmehr der kurdischen Initiative der Regierung neuen Schwung verleihen. Mit den Sympathisanten warteten gestern auch zwei Staatsanwälte auf die PKK-Abgesandten, um sie zu befragen.

Einem Integrationsgesetz zufolge können PKK-Angehörige, die sich den Behörden freiwillig stellen, straffrei ausgehen, wenn sie selbst sich an keinen bewaffneten Aktionen beteiligt haben. Die größte legale kurdische Partei DTP ist frustriert, weil Ministerpräsident Tayyip Erdogan seinen Ankündigungen einer politischen Lösung der Kurdenfrage bislang noch keine Taten hat folgen lassen. Während Innenminister Besir Atalay in Gesprächen mit gesellschaftlichen Gruppen und anderen Parteien versucht, einen Konsens über eine neue Kurdenpolitik auszuloten, hat die DTP auf ihrem Parteitag vor zehn Tagen gefordert, dass die Verfassung geändert werden muss, um den Kurden einen gleichberechtigten Status einzuräumen. Außerdem drängt die DTP darauf, den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan in den Verständigungsprozess mit einzubeziehen.

Statt jedoch auf Öcalan zuzugehen, versucht Erdogan, die CHP als größte Oppositionspartei mit ins Boot zu holen und Angebote an die Kurden vorher mit CHP-Parteichef Deniz Baykal abzustimmen. Nach monatelanger Weigerung hat Baykal jetzt zugestimmt, sich mit Erdogan in dieser Woche zu treffen.

Um die Kurden wegen Öcalan etwas ruhiger zu stellen, hat die Regierung jetzt angekündigt, man werde Öcalans Einzelhaft auf der Gefängnisinsel Imrali innerhalb der nächsten zehn Tage beenden und weitere Gefangene dorthin verlegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • R
    Rafi

    Das Problem mit der CHP ist, dass diese Partei sich mehr und mehr zu einer antikurdichen Partei entwickelt. Das ist verwunderlich, weil die CHP eigentlich eine integrative Kraft sein sollte, aber die Partei verfängt sich mehr und mehr in Prinzipienreiterei und pocht auf den türkischen Nationalismus / Kemalismus.

    Zum einen kann sich die CHP nur schwer gegen die Re-Islamisierung der Türkei behaupten, zum anderen fehlt ihr ein politisches Thema, das bei den Wählern und Anhängern wirklich verfängt. Erdogan nimmt gerade der CHP gezielt den Wind aus den Segeln.

    Vielleicht will die CHP der AKP gar keine Kurdeneinigung zukommen lassen. Bedenklich finde ich aber, dass die CHP gar keinen eigenen Lösungsansatz mehr hat. Im Grunde genommen würde die CHP dem Geheimdiensten und Militär die Lösungskompetenz zubilligen, auch wenn die Vergangenheit lehrt, dass diese Institutionen keine Möglichkeit zur Lösung besitzen.

    Ich vermute mal, dass diese Gespräche auch nichts Neues und keinen Ansatz bringen werden. Am Ende wird Baykal wohl es irgendwie hinbiegen, der AKP irgendetwas vorzuwerfen, aber das ist praktisch nicht möglich.

    Wie weit und wie tief Erdogan bereit ist zu gehen, das ist wohl die eigentliche Preisfrage. Die miesen Verhältnisse im Osten lassen sich nicht auf einen Schlag und in kurzer Zeit aufarbeiten. Auch juristische Fragen sind zu beantworten. Das massenschafte Verschwindenlassen, die Folter, Vergewaltigungen und konstanten Menschenrechtsverletzungen brauchen wohl viel Kraft und Ausdauer.

    Bisherige Regierungen versuchten meist, die Kurdenproblematik nur dann zu lösen, wenn die Töne aus Brüssel nicht auf Aufnahme gingen, sondern ins Gegenteil fielen, dann versuchten Regierungen Lösungen zu präsentieren.

    Diesen Fehler begeht Erdogan nicht, aber was er am Ende wirklich erreichen will und kann, das weiß auch niemand.

  • E
    eppelein

    Welche Auswirkungen hat "die neue Kurdenpolitik" auf die in Europa lebenden Kurden?

  • A
    Ahmed

    Ich bin mir nicht sicher ob dies bewusst so geschrieben wird?! Aber dir PKK ist keine Guerillaorganisation sondern eine Terrororganisation, die in den USA und auch Europa als solches akzeptiert wird.