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■ Vom Nachttisch geräumtBruderkrieg

Das Lübecker Buddenbrookhaus stellt in seinen Räumen Leben und Werk der Brüder Heinrich und Thomas Mann dar. Der Katalog dazu bietet zahlreiche Fotos und viele Texte aus Werken und Briefen der beiden. Auch der Mann-versierte wird hier das eine oder andere entdecken, was ihm bisher entgangen war.

Man sollte sich einmal die Zeit nehmen und die Ausstellung weniger literarisch als vielmehr als Einblick in ein Geschwisterverhältnis sehen. Man wird eine Reihe unangenehmer Eindrücke gewinnen. Die Werke des 15jährigen Bruders kommentiert der 19jährige Heinrich Mann: „Bei der Lektüre seiner letzten Gedichte bin ich aus dem peinlichen Gefühl gar nicht herausgekommen, das mir in ähnlicher Weise nur Platen, der Ritter vom heiligen Arsch, verursacht hat. Diese weichliche, süßlich-sentimentale ,Freundschafts‘-Lyrelei...“ Man hört die Abwehr, den Ekel. Man ahnt, wie ausgeliefert der kleinere Bruder sich fühlen mußte und wie stark seine Bindung an den bald berühmten, bewunderten und gehaßten Bruder war. Ein paar Monate später schreibt Heinrich Mann an denselben Freund: „Mein armer Bruder Tomy. Laß ihn nur erst in das Alter kommen, wo er unbewacht und bemittelt genug ist, seine Pubertät zum Ausdruck zu bringen, 'ne tüchtige Schlafkur mit einem leidenschaftlichen, noch nicht allzu angefressenen Mädel – das wird ihn kurieren.“

Heinrich Manns forscher Leutnantston war auch hier nicht angebracht. Thomas Mann blieb seinen Freunden treu. Trotz der Versuche mit so mancher Schlafkur. Auch Platen blieb er treu. Er versuchte ihn zwar nicht mehr zu imitieren, aber er las ihn immer wieder gerne und schrieb über ihn. Der Bruder dagegen war lange Jahre sein größter, sein von ihm innigst gehegter Feind.

Eckhard Heftrich, Peter Paul Schneider, Hans Wißkirchen: „Heinrich und Thomas Mann – Ihr Leben in Text und Bild“. Dräger Druck Lübeck, 433 Seiten, 130 Schwarzweißabbildungen, 35 DM

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