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Vom Mythos zur Realität

■ Auf der ersten deutschen Hanfmesse zeigten Firmen, was bereits machbar ist

Anfang März fand in Frankfurt die erste deutsche Hanf-Messe statt. Parallel zu einem internationalen Hanf-Symposion (siehe Seite 4) präsentierten hier Über 40 Firmen, was in Sachen Hanf bereits in die Praxis umgesetzt worden ist.

Mit dem Veranstalter der „biofach“, der größten europäischen Naturwaren-Messe in Europa, fand das Projekt einen engagierten Unterstützer. Über 800 Meter Faxpapier hatten am Ende ihren Weg über den Globus gefunden, bis zum Stichtag 42 Aussteller aus neun Ländern zugesagt hatten. Schwieriger gestaltete sich die Suche nach Sponsoren.

Nachdem der Hersteller eines Hanf-Zigarettenpapiers frühzeitig gewonnen werden konnte, herrschte danach lange Zeit Funkstille. Praktisch in letzter Minute kam eine Förderzusage der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, und auch das Hessische Landwirtschaftsministerium steuerte einen kleinen Zuschuß bei. Erwähnung verdient das unter anderem deshalb, weil dies wahrscheinlich die ersten öffentlichen Gelder sind, die in Deutschland zur Förderung des verbotenen Hanfs ausgegeben wurden.

Schon der erste Tag der Messe, der eigentlich für die Kontakte unter den Ausstellern gedacht war, löste bei den „Hänflingen“ erstaunte Reaktionen über den Zuspruch aus. Die insgesamt 400 Quadratmeter „Biorohstoff Hanf“ waren sicher die bestbesuchte Fläche im Rahmen der großen „biofach“-Ausstellung. Den größten Raum nahm der Textilsektor mit Angeboten von Hanfstoffen und Garnen sowie mit zahlreichen Mode-Kollektionen ein. Nicht nur Jeans, Jacketts und legere Alltagskleidung, auch Unterwäsche gibt es mittlerweile aus Hanf – hauchzarte Dessous aus einem Hanf-Seide-Mischgewebe ließen nicht nur die Augen der Damenwelt glänzen. Pullover aus englischem Hanf und Wolle wurden ebenso vorgestellt wie das erste Shirt aus 100 Prozent feinem Hanf-Jersey. Hanf-Müsliriegel, Hemp-Burger und Hanfbrot sorgten allseits für das Energiegleichgewicht. Die Vorstellung eines neuen Öko- Waschmittels auf Hanfbasis zählte zu den Höhepunkten der Messe.

Erfreulich war auch die Beteiligung von Unternehmen aus dem produzierenden Bereich sowie aus Anbau und Kultivierung. So stellte die niederländische „Hempflax“, die die ersten 1.000 Tonnen Hanf 1994 geerntet hat, eine Hanf-Faserplatte vor. Sicher war nicht zu erwarten, daß auf dieser Messe eine Hanf-Spinnereianlage für 3,5 Millionen Mark verkauft wird, doch das Angebot zeigt, daß auch eine Reihe von Unternehmen der Großindustrie die Nutzpflanze Hanf ernst nehmen.

Auf vielen Gebieten, wo der Einsatz des Rohstoffs Hanf ökologisch und ökonomisch Sinn macht, wurden Produktentwicklungen präsentiert. Von Wachsmalstiften und neuen Kosmetik-Produkten aus Hanföl bis zu hanfbespannten Möbeln. Der Stoff aus dem angeblich die Träume sind, lädt künftig zum Träumen ein: in Form einer Matratze, deren Füllung aus Hanfwerg besteht. Der traumhafte Bezug wiederum ist aus Hanfstoff gefertigt.

Übereinstimmend äußerten sich die Aussteller auf dieser ersten deutschen Hanf-Messe sehr zufrieden, sowohl was die Qualität der Kontakte als auch was konkrete Vertragsabschlüsse betrifft. Noch ist der Markt für Hanf ein sehr junges Pflänzchen, doch wenn man bedenkt, daß vor zwei Jahren in Deutschland kein Mensch irgendetwas von Hanf wußte, geschweige denn ein Markt dafür existierte, war die Vielzahl der Aussteller und Interessenten, und die Vielfalt und Qualität der Produkte einfach phänomenal.

„Mythos“ heißt die Kritik, die der neuen ökologischen Hanfbewegung gerne angeheftet wird – an den vier Messetagen war zu besichtigen, daß dieser Mythos längst Realität ist, und daß viele innovative und engagierte Unternehmen mit Energie daran arbeiten, diese Wirklichkeit für jedermann und überall zugänglich zu machen. Der allgemein gute Zuspruch läßt darauf schließen, daß auch 1996 eine „Biorohstoff Hanf“ in Frankfurt stattfinden wird. Fränk Zander

Der Autor ist Organisator der Messe „Biorohstoff Hanf“.

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