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Vom Kampf um die Säuberung der Uni

■ Politische Streikparolen sollen vom Sichtbeton verschwinden / Rektor forderte solidarischen Putz-Kostenbeitrag von 10 Mark Asta bietet „Ästhetik des Widerstands“ an / Putzfrauen sehen wenig Sinn im Wändeputzen, denn: Der nächste Streik kommt bestimmt

Seit den Streikwochen im Wintersemester scheint die Bremer Universität vielen zu bunt und zu wenig repräsentativ zu sein. In dieser Woche kamen deshalb zum zweiten Mal „Wegsprüher“ mit Chemikalien und Dampfstrahlgeräten, um den guten alten Sichtbeton wieder hervorzuputzen. Vor zwei Jahren war der Uni schon einmal auf Geheiß des Freudeskreises der Universität das Image der roten Kaderschmiede wegpoliert worden.

Bei der diesjährigen Aktion ging es um das neue Hörsalgebäude, im Studenten-Mund „Keksdose“ genannt. Die für den 4. April vorgesehene Abnahme und die folgende Einweihung des Gebäudes sollte nicht von Grafittis gestört werden. Schon der Bauzaun war mit einem Hinweis auf die Firma Züblin versehen worden, die u.a. auch an der Startbahn-West beteiligt ist. Daneben war an der Wand der 1977 ermordete Arbeitgeberpräsident durch die Namensgebung „Hanns-Martin -Schleyer-Halle“ geehrt worden, dies war der CDU und rechten Professoren schon lange ein Dorn im Auge. Das später hinzugekommene „Zimmermann ist auch bald dran“ hatte beim Personal wie auch bei vielen StudentInnen noch weniger Anklag gefunden. Auch „Rudi Dutschke lebt“ stand auf dem Sinnbild der Umwandlung der Bremer Reform-Uni zur Denkfabrik, auch das sollte weg.

Weitere im Verlauf des Streiks entstandene „Sachbeschädigungen“ waren teilweise schon von

den BesetzerInnen selbst entfernt worden, aber viele der „Sprühis“ waren auf Fenstern und Wänden geblieben. Die Schätzung der Kosten, die eine Fremdfirma für die Beseitigung in Rechnung stellen würde, ging gegen 100.000 Mark. Dies brachte Rektor Timm vor 14 Tagen auf die Idee, von jeder Studentin und jedem Studenten 10 Mark „Solidarbeitrag“ zu fordern und alles sollte damit vergessen sein. Große Heiterkeit von seiten der StudentInnen-Vertreter kippte den Vorschlag.

Wenigstens Arbeitsleistung als studentischen Beitrag zur „soli

darischen Aktion“ verlangte daraufhin der Rektor. Im Gegegnzug bot Timm an, auf Strafanträge gegen die „Sachbeschädiger“ zu verzichten.

Der AStA stand den Vorschlägen des Rektors zunächst nicht ablehnend gegenüber, ein geplanter Brief an die Studis, in dem mit den neuen Studentenausweisen Geldspenden erbeten werden sollten, wurde jedoch verworfen. Inzwischen ist klargestellt, daß keinerlei studentische Leistungen für die Säuberungsaktion erfolgen sollen.

Stattdessen will der AStA in die

Offensive gehen. Zunächst sollen die Sprühis vom „Verräter -AStA“ verschwinden, im Rahmen einer „Kritischen Woche“ vom 17.-21.4. sollen dann in Kooperation mit KunststudentInnen und einer AG „Ästhetik des Widerstands“ die Betonwände endgültig verschönert werden. Grafittis aus der Streikzeit sollen bleiben, in zunehmendem Maße zu beobachtende frauenfeindliche und rechte Sprüche sollen verschwinden. Auch zu den Reinigungsfrauen der Uni soll Kontakt aufgenommen werden.

Die wollen es sich derweil

nicht gefallen lassen, als unterste Stufe in der Hierarchie immer nur für den Dreck der anderen zuständig gemacht zu werden: Zusätzliche Arbeitsbelastung lehnen sie ab. Auch ist der zur Reinigung der Wände eingesetzte „Grundreiniger“ giftig, führt zu Verätzungen und Beschwerden der Atemwege. Außerdem, argwöhnen die Reinemach-Frauen, sei eine Säuberung sinnlos, da bisher keine der studentischen Forderungen erfüllt sei und im Sommersemester somit weitere Streiks drohen.

Am Mittwoch nachmittag verschwanden dann aber nicht nur

die Grafittis am neuen Hörsalgebäude, für die der Architekt den Reinigungsauftrag gegeben hat, sondern auch die am IW I, die kurz nach der Einweihung 1984 angebracht worden waren: „Hier bestimmen immer noch wir, was geforscht wird. Mercedes, Siemens, Messerschmidt-B.B.“ Wer den Auftrag für diese Beseitigung gegeben hat und wer dafür zahlt, weiß der Uni-Baudezernent Bergmann auch nicht. Allerdings fand er passende Worte: „Ich sehe es mit Freude, wenn jemand das IW I saubermacht.“

Karsten Seidel

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