: Vom Joint zum Äppelwoi?
betr.: „Die unlustigen Musikanten“, taz vom 31. 7. 07
Wenn die Absetzung der „Lustigen Musikanten“ als eine „Beleidigung für alle“ empfunden wird, „die Deutschland nach dem Krieg wieder aufgebaut haben“ (nachdem viele von ihnen es während des Krieges „judenfrei“ gehalten haben), so ist dem nicht zu widersprechen. Aber diese Generation müsste doch allmählich aussterben.
Die 60- bis 65-Jährigen von heute haben mit Mick Jagger ihren eigenen Karl Moik und mit den Stones ihren eigenen „Musikantenstadl“. Diese „älteren Menschen“ gehörten jener Generation an, die zum größten Teil in jungen Jahren voller Enthusiasmus auf die Straße ging, hässliche Erfahrungen mit der Staatsgewalt machte und dem frisch wiederaufgebauten Deutschland eine klare Absage erteilte. Sie lauschten – manchmal mit der ein oder anderen verbotenen Substanz intus – dem Sound von Jimi Hendrix und den Doors und trugen den großen kulturellen Umbruch der 60er-Jahre mit.
Folgt man nun der Argumentation von Manfred Knöpke, dem Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlager und Volksmusik, so müssten ja viele dieser in den 40er-Jahren Geborenen mit dem Alter eine schauerliche Mutation durchlaufen haben, sozusagen von Hendrix zu Heino und vom Joint zum Äppelwoi.
Noch besser wird es, wenn Herr Knöpke behauptet, dass mit der „Ausdünnung“ der Volksmusik die Fernsehzuschauer ab 50 diskriminiert würden. Fünfzig ist heute der Jahrgang von Punk-Ikone Sid Vicious! Auch wenn viele der Jungs und Mädels, die in den späten 70er-Jahren mit bunten Frisuren und Sicherheitsnadeln schockierten, heute brave Familienmütter und -väter geworden sind, so würde es sich die erste Generation der Punk-Bewegung verbitten, heute zur Zielgruppe von Marianne und Michael gerechnet zu werden.
Aber das Ganze jetzt mal zurück: Nicht alle in den 40er-Jahren Geborenen waren 68er und Hippies, nicht alle in den 50er-Jahren Geborenen waren Punks, und ältere Mitmenschen stehen nicht automatisch auf Volksmusik! Es sei denn, die Begeisterung für Volksmusik wäre eine im Alter auftretende Krankheit. Aber dafür ist die medizinische Wissenschaft den Beweis noch schuldig!
Vielleicht ist es eher eine Frage von links und rechts. Möglicherweise sind jene Liebhaber des unerträglich ignoranten und hohlen Glückseligkeitsgetöses dieselben reaktionären Deutschtümler, wie es sie in allen Jahrzehnten deutscher Geschichte gegeben hat. Erinnern wir uns an die Musikkassette, auf der Heino das „gute alte deutsche Volksliedgut“ zum Besten gab und die von der DVU vertrieben wurde. Natürlich wollen wir Heino nicht unterstellen, direkt etwas damit zu tun haben, aber es spricht trotzdem Bände. Zumal Heino als Künstler der prominenteste Vertreter der „deutschen Leithammelkultur“ ist. Eine Untersuchung der Zielgruppen auf politische und weltanschauliche Einstellung ist somit überfällig. Sollte dabei herauskommen, dass das Stammpublikum von Andy Borg, Marianne und Michael und anderer „lustiger Musikanten“ in den Kreisen der Wähler von NPD und DVU zu suchen ist, wäre die Entscheidung des ZDF sogar zu begrüßen. THOMAS GEBAUER, Mönchengladbach