piwik no script img

Vom Computer-Nerd zum KräuterkochDer Pesto-Hacker

Der Programmierer Michael Busch hat sich neben seinem Büro eine kleine Küche eingerichtet, um Pesto auf Bestellung zu mischen und über das Internet zu verkaufen.

Leidenschaft und Profession verbinden. Bild: thomas strothjohann

Chiliöl, Red Wasabi Erdnüsse, Basilikum und getrocknete Tomaten - eine Runde durch den Mixer, Olivenöl drüber – fertig. Michael Busch steht in seiner Pestoküche in einem 60er Jahre Fabrikgebäude am Darmstädter Hauptbahnhof. Die Abendsonne taucht den Raum in warmes Licht und Busch bereitet die letzten Bestellungen für den Versand vor.

„Das Tolle an Pesto ist, dass man fast alles zusammenmischen kann“, sagt er. Wie gut die Mischung wird, hängt vom Geschmack des Kunden ab, denn Busch hält sich genau an die Zusammenstellung. Wie ein junger Vater, der seinem Kind den Brei kocht, füllt er das Pesto mit einem Trichter in Gläschen - mit viel Liebe, aber etwas ungelenk. Bevor er die Gläschen in Seidenpapier wickelt, probiert er jedes Pesto und bisher, sagt er, habe er nur eins verschickt, das ihm nicht geschmeckt hat. „Wertig muss es aussehen“, sagt Busch. Frische Zutaten sind ihm wichtig. Er erzählt von den besten Darmstädter Gemüsehändlern und von der schwierigen „Nuss-Vorratsdatenspeicherung“. Innerlich ist er eben doch noch der Computer-Nerd, dessen Karriere am C64 in der Grundschule begann und über Physik-Leistungskurs und Informatikstudium in den 1990er Jahren zu IBM führte.

Das Herz seiner Pestomanufaktur ist ein Webshopsystem, das Michael Busch selbst programmiert hat. Es erstellt für jeden Auftrag eine Zutatenliste, Etiketten, den Versandschein und eine Rechnung. Außerdem gibt es eine Einkaufsliste, mit der Busch vormittags durch die Gemüseläden zieht. Webshops sind die Konstante in seinem Leben; verkauft werden immer wieder andere Produkte. Am letzten Freitag startete sein jüngstes Projekt: Beim Müsli-Mixer können sich jetzt Australier ihr eigenes Müsli mixen und schicken lassen, so wie das Deutsche seit einer Weile bei mymuesli.de können.

Es ist wie selber kochen, den Abwasch macht aber Michael Busch. Bild: thomas strothjohann

Angefangen hat alles mit getrockneten Schweineohren. Michael Busch gab seinen Job bei IBM auf und programmierte einen Webshop für Tierfutter. Business-to-Business war das Zauberwort, das seinem Unternehmen 1999 die erste Millionen Startkapital einbrachte. „Damals hingen in Frankfurt im KingKa-Beachclub zwei Gruppen rum: Die einen hatten ein Schild auf der Stirn auf dem stand: ‚Habe Geld’, und die anderen brauchten Geld“, erinnert sich der damalige CTO (Chief of Technical Operations). So einfach ist das heute nicht mehr und „so tolle Namen wie in dieser alten Dummlaberkiste braucht heute keiner mehr“, sagt Busch.

New Economy ist Geschichte, aber seine Webshops laufen noch. Wer heutzutage bei Neckermann einen Kratzbaum für seine Katze bestellt, füttert Buschs System mit Daten und wird von mypetshop.de beliefert. Mit dem finanziellen Polster, das er als Administrator und Anteilseigner verschiedener Shoppingportale verdient hat, konnte sich Michael Busch auch trauen, Mitten in der Finanzkrise im September 2009 neben seinem Büro eine Küche einzurichten, um Pesto zu verkaufen. Über, neben und unter seinen Räumen proben Bands und wer Busch in diesem Umfeld mit Haarnetz und weißer Schürze durchs Fenster beobachtet, könnte meinen, er mische Drogencocktails.

„Ich koche gerne, aber als kurz vor Weihnachten immer mehr Bestellungen kamen, konnte ich kein Pesto mehr sehen“, sagt Busch. Professionell schnibbelt er erst, seitdem www.pestolero.de online ist und bald will er die Löffel auch schon wieder aus der Hand geben: Die Produktion soll eine Chutney-Manufaktur im Bergischen Land übernehmen, damit Busch wieder mehr Kapazitäten für seine Programme hat. Profitabel ist sein neues Hobby nämlich noch nicht. Die Einnahmen decken zwar die Ausgaben, seine Arbeitszeit und die Abschreibungen für die Küche kann er damit aber nur erwirtschaften, wenn er die Google-Anzeigen wieder bucht, mehr kocht und verkauft.

Für Pestolero inspiriert wurden Michael Busch und seine Freundin Alexandra Goebel von einer Frau, deren ungewöhnliche Pestokombinationen in Bio- und Feinkostläden zu Bestsellern avancierten. Die beiden waren schon Kunden von chokri- und mymuesli.de und dachten sich: „Die Zusammenstellung kann man doch auch den Kunden überlassen.“ Der Name war schnell gefunden. Namen-Finden ist eine von Buschs Lieblingsbeschäftigungen und er hat schon über hundert Domains reserviert, obwohl sie noch brach liegen und ihn jährlich über tausend Euro kosten. Als der Name stand, beauftragte Busch eine befreundete Designerin ein Logo und das Screendesign für die Website zu entwerfen. Das Layout wurde in Indien programmiert und dann ging es los. „Gute Ideen muss man verwirklichen“, findet Busch und das Produkt habe ihm von Anfang an gefallen.

Pestolero-Kunden experimentieren gerne. Scharfe Havaneros und ungewöhnliche Kräuter wie Dill und Zitronenmelisse werden genommen. Von der Möglichkeit, Mischungen nachzubestellen, macht, so Busch, kaum jemand Gebrauch und die fertigen Rezepte aus dem Shop werden auch nicht oft bestellt. In Düsseldorf hat es schon die ersten Pestopartys gegeben, bei denen Pestolero-Fans sich trafen um ihre Kreationen zu verkosten.

Zum Schluss wiegt Busch das Glas um zu überprüfen, ob es nicht zu wenig ist. Dann klebt er noch den Pestolero-Cowboy auf die Verpackung und bringt die Päckchen zur Post. Morgen wird ein Pestofan Post bekommen und voller Spannung Nudelwasser aufsetzen. Es ist wie selber kochen, nur muss man weniger spülen und einkaufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen