: Vom Betten und Beten
■ Katholisches St.-Joseph-Stift feiert 125 Jahre / Am Anfang war die Bürgerinitiative
Die Geschichte des St.Joseph-Stifts ist die Erfolgsstory einer Bürgerinitiative. Denn gegründet wurde das katholische Krankenhaus 1869 von Privatleuten, in einer Zeit, als staatliche Subventionen für Krankenhäuser oder gar eine allgemeine Krankenversicherung Fremdwörter waren. Nebenbei erzählt das St.Joseph-Stift aber noch eine andere Geschichte: Nämlich die des langen und beschwerlichen Kampfes der katholischen Bevölkerung Bremens um gleiche Rechte in der protestantisch geprägten Hansestadt.
Gründe für den Bau eines eigenen katholischen Krankenhauses gab es 1869 genug: Die allgemeine medizinische Versorgung der Bevölkerung war in der Zeit der rapiden Industrialisierung schlecht, besonders schlecht natürlich bei den Armen, unter denen viele KatholikInnen waren. Katholische Mütter hatten eine große Angst: Ein katholisches Kind, das nach der Geburt in einem nicht-katholischen Krankenhaus ohne oder gar mit der „falschen“ Taufe starb, würde nicht in den Himmel kommen. Eine Typhus-Epidemie gab schließlich den letzten Anstoß: Ein Verein wurde gegründet, Geld aus Spenden gesammelt und der katholische Schwesternorden der Franziskanerinnen für die Pflege der Kranken gewonnen.
Aber auch ganz weltliche Gründe sprachen für die Einrichtung des Krankenhauses. Ein Jahr zuvor, 1868, war das evangelische Diakonissen-Krankenhaus errichtet worden, da konnten die KatholikInnen nicht zurückstehen. Das Projekt eines katholischen Krankenhauses weckte bei der überwiegend protestantischen Bevölkerung Ängste: Vor allem die Angst vor „papistischer Medizin“: In einem Moment der körperlichen Schwäche von den KatholikInnen zwangsmissioniert zu werden. Dem Argwohn der Bevölkerung wollten die Schwestern und Ärzte in dem neuen Krankenhaus entgegentreten: In dem „Contract“ über die Führung des Krankenhauses heißt es: „Die Schwestern übernehmen die Pflege der Kranken ohne Unterschied der Confession und des Standes.“ Von der Pflege ausgeschlossen waren nur „Wöchnerinnen, Kinder unter drei Jahren, Geisteskranke und Tobsüchtige und Syphilitische und Krätzekranke.“ Die Sorge vor heimlicher Seelenfängerei war unbegründet, berichtete der Medizinhistoriker Hans Schadewaldt: In der Geschichte des Krankenhauses habe es „zwei solcher Beschwerden gegeben hat – und beide waren nachweislich unbegründet.“
1880 zogen die Schwestern und Ärzte von der Neustadt in den Neubau an der Schwachhauser Landstraße, wo die Klinik nach vielen An- und Umbauten inzwischen einen ganzen Block einnimmt. 1898 errichtete der Arzt Georg Brautlecht das erste „Röntgenkabinett“ Deutschlands in der Klinik, um PatientInnen mittels der gerade entdeckten Röntgenstrahlen zu durchleuchten und zu behandeln. In Unkenntnis der Strahlenwirkung arbeiteten die Ärzte ohne jeden Strahlenschutz – Brautlecht starb kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Bremen mit völlig verstrahlten und verbrannten Händen. In beiden Weltkriegen war das St.Joseph-Hospital Lazarett. Heute schließlich hat das Krankenhaus 500 Betten und insgesamt etwa 800 Angestellte. Überwiegend katholisch sind PatientInnen und Beschäftigte auch nicht mehr: „Das enstpricht etwa dem Bevölkerungsanteil in Bremen, also etwa 14 Prozent“, meint Verwaltungsdirektor Jürgen Scholz.
Politik wird auch über Symbole gemacht: Die Jubiläumsfeier des Krankenhauses bewies, wie sich für Bremens KatholikInnen die Zeiten geändert haben: Den Fest-Gottesdienst feierten sie in der Liebrauenkirche, weil die St.-Johannis-Kirche restauriert wird. Noch vor wenigen Jahren ein undenkbarer Akt der Ökumene. Die Hauptfeier fand in Bremens guter Stube, der Oberen Rathaushalle statt. Auch hier hatten KatholikInnen früher nichts verloren. Und Bürgermeister Klaus Wedemeier entschuldigte sich für die Politik seiner Vorgänger, die katholische Bevölkerungsminderheit drei Jahrhunderte lang unterdrückt zu haben. Denn während dieser Zeit hatten Menschen katholischen Glaubens in der ach so liberalen Hansestadt Bremen nichts zu lachen: Bremen, vor der Reformation auch „Rom des Nordens“ genannt, schwenkte nach dem Dreißigjähirgen Krieg auf die harte Linie ein: Den KatholikInnen wurden nur die Rechte gewährt, die der Vertrag ihnen ausdrücklich zubilligte. Und das waren nicht viele. So durften Katholiken weder wählen, das Bremer Bürgerrecht erlangen noch Mitglieder der Zünfte werden, ihr Gottesdienst war auf die Hauskapelle des Kaiserlichen Residenten beschränkt, Taufen und Trauungen wurden oft illegal durchgeführt. Noch in der Weimarer Republik waren für viele Bremer Familien Katholiken „schlimmer als Nazis.“
Dieses Kriegsbeil mit einer religösen Minderheit in der Stadt will der Senat nun begraben. Bürgermeister und „Kirchensenator“ Wedemeier hat sich vor einigen Wochen beim Botschafter des Vatikan in Bonn für ein neues katholisches Bistum Bremen eingesetzt. Und vor MitarbeiterInnen und FörderInnen des St.-Joseph-Stifts pries Wedemeier den Bürgersinn katholischen Bevölkerung und zitierte Bürgermeister Johann Smidt: „Unsere katholischen Untertanen sind die besten der Welt.“
Die hörten es mit Genugtuung. Denn die Konfessionsgrenzen sind inzwischen fast verwischt. Das St.-Joseph-Stift stellt katholische, evangelische und nicht getaufte ÄrztInnen, Schwestern und Pfleger ein. „Nur Bewerber, die aus der Kirche ausgetreten sind, nehmen wir nicht“, sagt Verwaltungschef Scholz. „Denn damit haben sie die Institution Kirche abgelehnt, zu der auch wir schließlich gehören.“ Die Krankenschwestern in der Ordenstracht der Franziskanerinnen sind auf eine kleine Gruppe von etwa 20 zurückgegangen. Finanziert wird das Stift heute wie andere Krankenhäuser auch : Der Staat finanziert die Investitionen, die laufenden Kosten werden über die Pflegesätze der Krankenkassen gedeckt.
Was unterscheidet das katholische Stift von ähnlichen kommunalen Krankenhäusern? Abtreibungen gibt es grundsätzlich nicht, Ausnahmen sind nur möglich, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. „Wir sind ein Teil der katholischen Kirche und lehnen Abtreibung aus grundsätzlichen Erwägungen ab“, sagt Scholz. Neben der normalen medizinischen Versorgung bietet das Krankenhaus Betreuung durch Pastoren und ehrenamtliche Dienste. Der Verleich zu anderen Häusern ist schwer, meint Scholz.. „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der die Menschen sich wohlfühlen. Die Patienten brauchen mehr Aufmerksamkeit als nur während der einen Stunde auf dem OP-Tisch.“ Bernhard Pötter
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