: Vom Bahn-Vorstand zurücktreten !
So viel ist klar: Zwei Bahn-Manager müssen (zu Fuß) gehen, ihr Chef dagegen bleibt sicher in der Spur. Jetzt müssen nur die Fahrgäste wieder einsteigen
von HEIDE OESTREICH
„Bye-bye, alle PEP-Zweifelei“, so sang einst Anna Brunotte, die Erfinderin des neuen Bahnpreissystems. Bei der bahninternen Feier zur Einführung des „Preis- und Erlös-Management Personenverkehr“ im Jahr 2002 hatte sich das Management zu ungewöhnlichem Einsatz genötigt gesehen: Das Preissystem PEP hatte die BahnerInnen selbst nicht so recht überzeugt. Jetzt heißt es: Bye-bye, Frau Brunotte! Und Ihre Chefs nehmen Sie doch bitte auch gleich mit.
Der Aufsichtsrat der Bahn AG verfügte auf seiner gestrigen Sitzung die Auflösung der Verträge mit den Bahn-Vorständen für den Personenverkehr, Christoph Franz, und für das Marketing, Hans-Gustav Koch. Der offizielle Grund: „unterschiedliche Auffassungen, wie den konjunkturell bedingten Schwierigkeiten und der mangelnden Akzeptanz einzelner Elemente des neuen Preissystems begegnet werden soll“. An Bahnchef Hartmut Mehdorn dagegen halten die Aufsichtsräte fest. Sein Vertrag wird bis 2008 festgeschrieben. Aus gutem Grund: Immer noch traut man Mehdorn zu, die Bahn durch alle Preissümpfe in Richtung Börse zu steuern.
Den Luftweg hat man dabei nun aufgegeben: Das Team Franz, Koch & Brunotte hatte Mehdorn seinerzeit von der Lufthansa eingekauft. Ihr Preissystem hatten die drei an dem der Fluglinie orientiert. „Man braucht eben doch ein Minimum an bahnspezifischem Wissen, wenn man Bahnpreise reformieren will“, kommentiert der Bahnfahrer-Vertreter Klaus-Peter Naumann von ProBahn süffisant. „Jugend forscht“, hatten andere über die Systementwickler geunkt, als diese im Sommer 2002 mit ihrem Preissystem aufwarteten. Nun soll das System bis Ende des Jahres überarbeitet werden. Als Vorab-Bonbon fällt ab sofort die horrende Stornogebühr von 45 Euro weg, nur noch 15 Euro Bearbeitungsgebühr werden fällig.
Gewonnen werden sollten mit dem neuen System die 60 Prozent Reisenden, die die Bahn bis dato nicht nutzten. Ähnlich dem Prinzip Billigflug versuchten die Lufthansa-Experten, sie mit Rabatten zu ködern: Frühbucher, Gruppen und Familien sollten gewinnen. Damit verprellte die Bahn nicht nur ihre klassischen Stammkunden, die bisher eben allein, spontan und ohne Familie unterwegs waren, sondern alle anderen gleich mit. Die Rabatte sind undurchsichtig, die Auskünfte darüber verwirrend und vor allem die Stornogebühren saftig. Das überlegen sich Familien, die ja selten rechtzeitig loskommen, lieber dreimal. Weitere Ärgernisse kamen dazu: Interregio-Züge wurden in IC umbenannt, fahren seltener, sind dafür aber teurer. Wer früh und billig bucht, muss übers Wochenende unterwegs sein. Wer in seiner Region pendelt, kann überhaupt nicht planen und sparen – das Angebot gilt nämlich im Regionalnetz nicht. In puncto Verbraucherfreundlichkeit bekommt die Bahn ohnehin schlechte Noten. Es gibt keinerlei Rechtsansprüche auf Entschädigungen, wenn die Bahn nicht leistet, was sie soll – einmalig in der Reisebranche. Zuletzt hatten die Fraktionen von SPD und Grünen angekündigt, die Bahn per Gesetz disziplinieren zu wollen.
Die deutlichste Sprache aber sprechen die Kunden: Sie fahren nicht mehr. Um 20 Prozent sank das Fahrgastaufkommen, seit das neue System gilt. Im ersten Quartal 2003, also seit Einführung des Systems, machte die Bahn 133 Millionen Euro Verlust. Eingeplant waren umstellungsbedingt 200 Millionen Euro Verlust – für das gesamte Jahr 2003. Selbstverständlich war die Bahn bisher nicht der Meinung, dass an den roten Zahlen das Preissystem schuld sei. Zu 40 Prozent, so hatte Vorstand Franz errechnen lassen, sei die Konjunktur schuld. Außerdem die Verspätungen und verpassten Anschlüsse, die sich nach der letzten Fahrplanumstellung häuften, die Konkurrenz der Billigflüge und – erst ganz zum Schluss – das Preissystem. Mit dieser Einschätzung scheint Franz allein gestanden zu haben.