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Vom Autodieb zum Doppelmörder

■ Frauenmorde in Bremerhaven und Bremen aufgeklärt / 20jähriger gesteht

Sonntagmorgen, fünf Uhr früh: Mit Blaulicht und Martinshorn rast der Streifenwagen 1530 durch Bremerhaven. Am Klemmbrett steckt ein Fahndungsfoto des 20jährigen Frank D. Darunter steht: „Vorsicht, der Täter ist bewaffnet.“ Gegenüber dem etwa zwei Jahre alten Polizeibild soll er jetzt einen Zopf tragen. Frank D. ist der Mann, der seit dem 6. September in der Bremer Boulevard- Presse als der „Kopfschuß-Mörder“ Schlagzeilen machte.

Im Haus Bürgermeister- Smidt-Straße 200, auf der Kneipenmeile Bremerhavens, wird Frank D. kurz nach neun Uhr in der Wohnung eines Freundes verhaftet. In U-Haft kam er allerdings zunächst nur wegen schweren Diebstahls: Ein in der Nähe der Uni Bremen abgestelltes Fahrzeug war nach Zeugenaussagen von ihm gestohlen worden.

Ein Freund des Täters war am Sonnabend auf einem Polizeirevier erschienen und erklärte, Frank D. müsse eingesperrt werden, weil er ständig Autos klaue. Ein von ihm geknackter Wagen stünde in der Nähe der Uni. Im Kofferraum des Fahrzeugs fanden Beamte des 18. Reviers die Papiere des Audi, der in der Nacht zum 5. September kurz nach dem Mord an der Krankenschwester Bärbel Barnkow (45) gestohlen und später in Nienburg aufgefunden worden war.

Frank D. schweigt bei den ersten Verhören. Am Montagabend packt er aus. Er gesteht, in Bremerhaven Bärbel Barnkow und wenige Stunden später in Bremen Ingrid Remmers (42) durch Kopfschüsse getötet zu haben. Motiv: Frank D. — der Polizei als professioneller Opel-Knacker bekannt — wollte nicht mehr länger in kurzgeschlossenen Autos fahren, sondern mit vorgehaltener Waffe die Kfz-Schlüssel fordern.

Seit Jahren hatte er eine 7,65er Pistole in Bremerhaven versteckt. Am 4. September beschloß er die Tat. Er trank sich Mut an und lief ziellos durch Bremerhaven. Zufällig geriet er auf den Parkplatz des Bürgerpark- Krankenhauses und sah Bärbel Barnkow in ihren Passat steigen.

„Schlüssel her“, forderte er mit vorgehaltener Waffe. Als das Opfer die Tür verriegelte, schlug er die Seitenscheibe ein, öffnete und schoß auf die sich wehrende und schreiende Frau.

Danach, so sagte er aus, sei er „in Panik“ über einen benachbarten Friedhof geflohen, habe sich in der Nähe den Audi beschafft, sei damit auf den Parkplatz des Bremer Arbeitsamtes gefahren und habe dort einige Stunden gestanden. Als er Ingrid Remmers (42) aus der Telefonzelle kommen sah, wiederholte er die Tat.

Aber die Frau beschimpfte ihn und flüchtete in ihren Renault. Frank D. schoß zum zweiten Mal. Weil die Frau „so komisch“ zwischen den Sitzen lag, wuchtete er sie auf die Rückbank, griff seine Waffe und floh. Wie der gestohlene Audi letztlich nach Nienburg gelangte, woher das zweite Mordopfer kam, ist bislang ungeklärt.

Frank D. wuchs ohne Eltern in einem Heim auf. „Der Mann hat sein Tatvorhaben völlig unterschätzt“, sagt Herbert Janssen, Leiter der Bremerhavener Mordkommission. „Gutachter müssen klären, was in diesem Menschen vorgegangen ist, und wie jemand innerhalb weniger Stunden vom Autodieb zum zweifachen Mörder werden kann.“ Lutz G. Wetzel

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