: Vom Aussterben bedroht
■ »Mudhoney« im Loft und »Frenzy« im Huxley's Junior
Sie hätten es eigentlich zu Recht verdient gehabt. Wenn man nach einer Band sucht, die erfunden haben könnte, was man »Grunge« bezeichnet, was den Rock jenseits von Heavy Metal zurück in die Charts brachte und was dem Nirvana inzwischen vier Millionen verkaufte Platten bescherte, würde man unweigerlich auf »Mudhoney« stoßen. (Auch wenn eigentlich Jack Endino, seines Zeichens der Hausproduzent des Seattler SubPop-Labels, diese Auszeichnung verdient hätte.)
Aber das Musikgeschäft ist selten gerecht, Mudhoney waren zur falschen Zeit am falschen Ort, also trifft es andere. Zwar versuchten auch Mudhoney nach den Anfangstagen, eingängiger zu werden, aber immer noch ist ihre erste Single Touch me, I'm Sick ihr größter Independent-Erfolg. Ein Song, der so etwas wie die Initialzündung des Grunge war. Vielleicht haben sie einfach weniger Talent als Nirvana, eingängige Melodien zu schreiben, aber vor allem bewahrten sie sich die brutalen Ungereimtheiten, die den Grunge-Sound ausmachen und die auf Nirvanas Nevermind der Produktion zum Opfer fielen.
Trotz interner Probleme und einer zwischenzeitlichen Auflösung, machen Mudhoney, die sich nach einem Film von Russ Meyer benannten, da weiter, wo sie 1988 mit Touch Me, I'm Sick angefangen haben. Trotz einer ansehnlichen Geschwindigkeit entwickeln die Gitarren eine entschlossene Zähigkeit, selbst wenn sie einmal nicht hinter dem Schlagzeug hinterherdümpeln, das eine Monotonie bevorzugt, wie wir sie von Sonic Youth kennen; aber es bricht in guter alter Rockermanier immer wieder in das rettende Break aus.
Mudhoneys erste Mini-LP hieß Superfuzz Bigmuff, und das war programmatisch zu verstehen, weil sie die Fuzzbox so intensiv einsetzten, wie es zuletzt Jimi Hendrix gewagt hatte — wenn auch streng zu rhythmischen Zwecken. Und Mark Arm hat mindestens soviel jugendliche Desillusioniertheit in der Stimme wie Kurt Cobain.
Und wer den Nirvana-Gig für das beste Rockkonzert des letzten Jahres hielt — und das sind nicht wenige, und ich gehöre dazu — sollte Mudhoney nicht verpassen, weil die das Beste 1989 ablieferten. Zwar sind die Haare inzwischen gefallen, aber immer noch dürfte eine unglaubliche Intensität von der Bühne kommen. Etwas, das nichts mit Rumturnen oder Gehampel zu tun hat, sondern sich am besten durch den alten Stooges-Titel Raw Power umschreiben läßt.
Ähnliches gilt durchaus auch für »Frenzy«, wenn auch in einem völlig anderen Genre. Rockabilly ist zwar seit einem kurzen Zwischenhoch Anfang bis Mitte der 80er inzwischen dramatisch vom Aussterben bedroht, aber immer findet sich noch die eine oder andere Tolle oder Flattop, die auf Double Bass, halbakustische Gitarren und Standschlagzeug steht. In der Rückschau kann man ohne Zweifel behaupten, daß eine Band wie die Stray Cats durch den Vorstoß in die Charts bei Ausdünnung des Sounds an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig ist (Es wird abzuwarten bleiben, was mit Grunge passiert).
Auf jeden Fall gehörten Frenzy schon damals zu den besten und erfolgreichsten Wiederbelebern des Rockabilly, den man Psychobilly nannte. Inzwischen sind sie neben Restless die einzigen Überlebenden der ersten Welle (oder gibt es die Meteors noch?). Der Erfolg von Frenzy gründete sich neben dem zwar relativ traditionellen, aber ungleich härteren Stil vor allem auf das extrovertierte Kontrabaßspiel von Steve Whitehouse, der in der Szene unangefochten als bester Rockabilly-Bassist gehandelt wurde und wird. Was er mit seinem ziemlich sperrigem Instrument anstellt, schaffen motorisch weniger Begabte nicht mal mit einer Mundharmonika. Thomas Winkler
Mudhoney heute um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg (mit Superchunk)
Frenzy um 20 Uhr im Huxley's Jr., Hasenheide 108-114, Kreuzberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen