: Vom Abriß zum Wiederaufbau
Seit Februar bemühen sich vier Quartiersmanager um das Kottbusser Tor in Kreuzberg. Erste Erfolge sind sichtbar. Dennoch halten die Manager ihre Arbeit für einen Drahtseilakt ■ Von Uwe Rada
Noch im Frühjahr des vergangenen Jahres hatte Klaus Landowsky das Todesurteil gesprochen. Innerstädtischen Problemgebieten wie dem Neuen Kreuzberger Zentrum (NKZ) am Kottbusser Tor oder dem Schöneberger Sozialpalast, so der CDU-Fraktionsvorsitzende, sei nicht mehr zu helfen, sie müßten abgerissen werden. Ein Jahr später hört man aber auch optimistische Töne: „Das Potential am Kotti ist da“, sagt Eberhard Mutscheller von der mpr-Unternehmensberatung. Und die Architektin Gudrun Chatterjee meint: „Es ist einiges im Gange.“
Sowohl Mutscheller als auch Chatterjee gehören einem vierköpfigen Team an, das seit Februar als Quartiersmanager am Kottbusser Tor arbeitet. Daß die Federführung für das „Kotti“ bei CDU-Bausenator Jürgen Klemann und nicht, wie etwa im Wrangelkiez, bei Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) liegt, ist für Chatterjee kein Nachteil, im Gegenteil: „Wir sind froh darüber, weil wir da auch an den ganzen Programmen wie der Wohnumfeldverbesserung dran sind.“ 2,5 Millionen Mark stehen etwa bis zum Jahr 2001 für einen Spielplatz in der Adalbertstraße und die Gestaltung des Geländes hinter dem Kaiser's-Supermarkt an der Skalitzer Straße zur Verfügung. Ein Drittel davon finanziert der Bausenator, zwei Drittel der Eigentümer des NKZ. Auch das sei ein Erfolg, meint die 52jährige, die mit Unterbrechungen seit 1965 in Kreuzberg arbeitet.
Natürlich weiß auch Chatterjee, daß sich mit Quartiersmanagement keine sozialen Probleme lösen lassen. Als „absoluten Drahtseilakt“ bezeichnet sie deshalb ihr eigenes Engagement. Es sei sehr schwierig, Initiativen anzuregen und die Bedürfnisse vor Ort zu befriedigen, wenn zur gleichen Zeit die Mittel für soziale Projekte gekürzt würden. Was das NKZ angeht, sieht Chatterjee aber auch Grund zum Optimismus. „Es gibt viele Bewohner, die hier wohnen bleiben wollen, und auch das Zusammenleben von Deutschen und Türken funktioniert.“ Eine Basis, auf der sich arbeiten läßt. Und Arbeit gibt es genug: Die dunklen Durchgänge, bisher auch Standorte für den Drogenhandel, sollen neu gepflastert, die Läden neu verglast werden, und neues Gewerbe soll einziehen. Andere Bereiche sollen einen neuen Anstrich bekommen. Ein Abriß der Vorbauten, wie sie etwa der bündnisgrüne Bürgermeister von Kreuzberg, Franz Schulz, fordert, ist vom Tisch. Entscheidend, meint Chatterjee, seien nicht so sehr bauliche Maßnahmen, sondern der Umstand, daß die Aufträge für bauliche Maßnahmen an ansässige Firmen gingen, Jugendlichen Arbeitsplätze angeboten würden und auch türkische Unternehmer für die leerstehenden Gewerberäume interessiert werden könnten. Weitaus mehr Probleme als am NKZ sieht die Quartiersmanagerin für die drei Blöcke der GSW, Berlins größten Wohnungsunternehmens, südlich der Hochbahntrasse. So sei etwa ein Spielplatz an der Kottbusser Straße vor kurzem ohne ein Fest eröffnet worden. Genau das hatten die Quartiersmanager aber gefordert. Schließlich biete ein Fest auch die Möglichkeit, sich einen Ort anzueignen. Differenzen gibt es aber auch in puncto Sicherheit. Während die GSW für ihre Blöcke einen Pförtner eingestellt hat und die Eingangsbereiche per Video überwachen läßt, setzen die Quartiersmanager auf Sicherheit durch Belebung. „Je mehr Menschen unterwegs sind, desto sicherer fühlen sich die Bewohner.“ Am NKZ soll deshalb, obwohl viele Mieter anderer Ansicht waren, auf Videoüberwachung vorerst verzichtet werden.
Gleichwohl gilt auch für das Team am Kotti: Nicht für, sondern mit den Bewohnern arbeiten. Eigene Projekte wollen die Quartiersmanager aber nicht organisieren, dafür fehlt allein schon das Geld. Sie verstehen sich vielmehr als Organisatoren und Moderatoren. Das gilt auch für die Situation des Gewerbes rund um das „Problemquartier“. Während die Einzelhandelsstruktur in der Oranien- und Adalbertstraße in Ordnung sei, meint Quartiersmanager Eberhard Mutscheller, gebe es an der Kottbusser Straße Probleme. „Da muß noch viel mehr für ältere Menschen gemacht werden.“ Mutscheller hat deshalb vor allem die Existenzgründer im Visier. Auch hier ist die Zusammenarbeit mit dem Eigentümer des NKZ fortgeschritten. „Die sind sogar bereit, Räume für Existenzgründer zu besonderen Bedingungen zu vergeben“, meint Mutscheller. Sein Fazit: „Die Potenz im Gebiet ist da. Noch.“
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