Volontariat 2022 : Harte Arbeit und Spaß
Weil sie sich nicht für ein Unternehmen verdingen, sondern lieber das System kritisieren wollte, kam Ruth Lang Fuentes zur taz.
Als die Schüler:innenzeitung damals einen Text von mir nicht drucken wollte, war ich etwas enttäuscht. Einige Jahre später dachte ich, vielleicht sollte ich es bei einer weniger angepassten Zeitung versuchen – und entschied mich für die taz. Okay, ganz so gradlinig war es natürlich nicht.
Dazwischen kamen einige Jahre an Struggle, Studium und die Erkenntnis, dass lange noch nicht alles so ist, wie es sein könnte. Weil man aber „vom Schreiben ja nicht leben kann“ (Zitat Vater), entschied ich mich für den scheinbar einfacheren Weg und studierte Mathematik.
Bald aber eher nebenher. Denn ich verließ das „wohlbehütete“ badische Kleinstadtleben und fand heraus, dass es auch andere Menschen gab, die alles Konservative in Frage stellten. Und man kann wirklich ziemlich viel in Frage stellen: das politische System, die Monogamie, den neusten Film von Woody Allen…
Ich wusste schon lange, dass ich Mathe aus meiner Liebe zur Logik zu Ende studierte und nicht, um danach für irgendein Softwareunternehmen Geld zu machen. Denn eigentlich hatte ich meine Zeit damit verbracht, Simone de Beauvoir und Hemingway zu lesen, über Freiheit zu diskutieren, ein Jahr in Madrid zu „studieren“ und auf Demos zu gehen. Außerdem für die Studierendenzeitung zu schreiben und in der Lokalzeitung für die Heidelberger Stadtredaktion. Sollte ich jetzt etwa promovieren und nie wieder den Elfenbeinturm verlassen?
„Die letzten Tage des Patriarchats“
Ich entschied mich, nach Berlin zu ziehen. Ein Freund von mir, der gerade sein Physikstudium abgeschlossen hatte, struggelte ähnlich. Doch dann nahm ihn eine renommierte Journalist:innenschule an. So entschied auch ich mich, dem Journalismus eine Chance zu geben. Er schenkte mir „Die letzten Tage des Patriarchats“ von Margarete Stokowski. Die taz hatte ich bis dahin nicht viel gelesen. Es musste allerdings eine coole Zeitung sein, wenn sie eine solche Kolumne wie die von Stokowski druckte.
Beim Falafel erzählte ich einer Freundin, ich würde mich mal auf ein Praktikum bei der taz bewerben. Und ein Volontariat bieten sie da nicht an?, fragte sie. Ja, doch, aber da habe ich doch sowieso keine Chance, antwortete ich. Bewirb dich doch einfach, meinte sie. Hier bin ich also.
Zunächst als Teil des taz Panter Wahlcamps, bei dem wir, fünf junge Menschen, die Chance bekamen, aus unserer Perspektive über die Bundestagswahlen zu berichten. Wir bekamen richtig gutes Feedback, lernten eine Menge und wurden auf ein Festival geschickt. Dafür schrieb ich eine Reflexion darüber, dass der Mensch die Flucht in den Rave braucht (zumindest ich). Ich widmete mich auch der Frage, ob ziviler Ungehorsam zielführend ist (manchmal) und wie man mit dem AfD-wählenden Onkel beim Familientreffen umgeht (schwierig).
Die taz hat meinen Horizont erweitert. Ich hatte immer gedacht, ich sei eher die kontemplative Beobachterin. Bis ich mit einem Kollegen des Wahlcamps einen taz talk moderierte und nicht nur richtig viel Spaß daran fand, sondern auch Lob dafür bekam.
Vorschläge werden ernst genommen
Seit Oktober bin ich nun taz Panter Volontärin. Danke dafür auch an Shoko, die ein gutes Wort für mich einlegte. Zuerst war ich zwei Monate bei taz am Wochenende, wo ich die magazinige Seite des Journalismus kennenlernte. Jetzt mache ich gerade Station im Inlandsressort, wo ich mich an den schnellen tagesaktuellen Journalismus erstmal gewöhnen muss.
In meiner Bewerbung schrieb ich damals, dass ich für etwas arbeiten möchte, was die Menschen bewegt, das etablierte System kritisiert und zum Nachdenken anregt. Da habe ich mich bei der taz nicht getäuscht.
Was ich besonders mag: Dass man mit seinen Themen-Vorschlägen ernst genommen wird, mir viele Freiheiten gelassen werden und die Arbeitsatmosphäre sehr angenehm ist. Dass Texte erst geschrieben – und danach diskutiert werden. Und wenn man einen Artikel näher besprechen möchte, nehmen sich die Redakteur:innen auch mal eine halbe Stunde Zeit für dich auf einen Kaffee in der Kantine. Welche, by the way, sehr zu empfehlen ist.
Es fühlt sich immer noch surreal an, von der Dachterrasse der taz rüber auf den Gebäudekomplex des Axel-Springer-Konzerns zu schauen. Zu wissen, dass ich gelesen werde und ab und zu sogar Rückmeldungen von echauffierten oder begeisterten Leser:innen bekomme. Das Volo ist harte Arbeit und Spaß zugleich. Oft fühle ich mich noch immer etwas verloren zwischen Themenfindung, Recherche und Schreiben. Es gibt noch viel zu lernen. Aber dafür bin ich ja hier.