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Archiv-Artikel

…WAS MACHT EIGENTLICH ... die evangelische Kirche? Voll was her

Von CLP

Wow! Wer hätte gedacht, dass Glauben so sexy sein kann? Vielleicht haben Sie ihn auch schon gesehen. Nein, nicht den Herrn: den Mann von der Kirchenreklame. Den weiß lächelnden Pastor mit der kecken Locke und der Schleife um den Hals. Mr. Preacherman verkündet von dutzenden Plakaten das aktuelle Credo der evangelischen Landeskirche, das da heißt: Hände weg vom Sonntagseinkauf, offene Läden am Tag des Herrn sind von Übel. Bzw. gewitzt gedreht: „Wir haben schon immer sonntags geöffnet.“

Wahrscheinlich waren Bischof Wolfgang Huber und sein Beraterstab der ewigen Talkshow-Fragen müde, die seit dem vatikanischen Rummel dieses Jahres am vergrübelten Protestanten-Ego kratzen: Sagen Sie, sind Sie nicht ein ganz klitzekleines bisschen neidisch, wenn Sie sehen, welche Massen die Papstshow anzieht? Ja, im tiefsten Inneren sind sie es wohl schon, aber jetzt kann jeder sehen: Auch die Reformation rockt. Auch Luthers Erben haben ihre Georg Gänsweins, ihre Richard Chamberlains, ihre Traummänner in Soutane.

Inhaltlich ist gegen die fromme Kampagne wenig einzuwenden. Dass am ersten, respektive siebten Tag die Marktschreier gefälligst mal die Schnauze halten sollen, dass dem Fußvolk des Kapitalismus wöchentlich 24 Stunden Marschpause zustehen, das geht voll in Ordnung. Peinlich finden darf man hingegen die Tatsache, dass Hubers Leute unfähig waren, der beauftragten PR-Agentur einen echten Pastor fürs Foto zu präsentieren. Der hätte vielleicht schiefe Zähne gehabt, Brille oder schlaffe Haut. Aber die Aura des Authentischen hätte ihn umweht. Indem die Kirche zum makellosen Model greift, macht sie sich mit den Marktschreiern gemein. CLP ABB.: TAZ