: „Volksverdummung“ und „Prä-Vietnam-Situation“
■ SPD-Verheugen ballert gegen Kinkel / Hilfe für Bosnien-Flüchtlinge
Berlin (dpa/epd/taz) – Scharfe Töne gegen Außenminister Klaus Kinkel (FDP) findet der SPD- Bundesgeschäftsführer Günther Verheugen in der August-Ausgabe der SPD-Mitgliederzeitschrift Vorwärts. Er wirft dem Minister eine unverantwortliche Militarisierung der Außenpolitik vor. Kinkels Darstellung, wonach die Verbündeten sehnlichst auf einen vollen Beitrag der Deutschen zur Beilegung weltweiter Konflikte warteten, grenze an „Volksverdummung“ schreibt er. Außenpolitik dürfe sich nicht auf Bundeswehr-Einsätze reduzieren.
Verheugen kritisiert ferner, daß die Bundeswehr ihren ersten Kampfauftrag „mit einem völlig nebulösen Auftrag in einem Gestrüpp widersprüchlicher, internationaler Mandate durchführen solle“. Der SPD-Politiker zieht dabei einen Vergleich zum Vietnamkrieg. „Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat die Koalition uns in eine Prä-Vietnam-Situation gebracht und wir rutschen [...] immer tiefer in die Grauzone zwischen Peacekeeping und Kriegsführung und befinden uns irgendwann, ohne es recht bemerkt zu haben, im Krieg, oder das Unternehmen endet genauso nutzlos wie das unselige Somalia-Abenteuer.“ Gestern starteten die ersten 100 deutschen Sanitätssoldaten von Köln ins kroatische Split.
Ebenfalls intensiviert hat sich die Diskussion über die Aufnahme weiterer Kriegsflüchtlinge in Deutschland. Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen, forderte gestern die Westeuropäer auf, sich so schnell wie möglich auf einen Verteilungsschlüssel zu einigen. Sie rechne mit einer neuen Flüchtlingswelle. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Peter Beier, setzte sich, wie auch die Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“, entschieden für die weitere Aufnahme von Kriegsflüchtlingen ein. Die Bundesregierung sollte unverzügliche Flugzeuge für Flüchtlinge aus den serbisch besetzten und bedrohten UN-Schutzzonen einsetzen, um Frauen und Kinder nach Deutschland zu fliegen. Geschlechtsspezifische Verfolgung sollte als Asylgrund anerkannt werden. Der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen lehnte Unions-Bestrebungen ab, die Aufnahme von Flüchtlingen einzuschränken. Entwicklungshilfeminister Carl-Dieter Spranger (CSU) rief zu verstärkten Spenden für die Kriegsopfer auf und geißelte das Vorgehen der bosnisch- serbischen „Kriegsverbrecher“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen