Volkstrauertag: Nazis suchen neue Helden
Zum "Heldengedenken" kamen viel weniger Rechtsextreme auf den alten Garnisonsfriedhof Columbiadamm als sonst.
"Der Sturm geht um halb elf los", versicherten einander zwei gebeugte Herren, die sich am Sonntagvormittag auf dem ehemaligen Garnisonsfriedhof "Am Columbiadamm" fürs gemeinsame Trauern rüsteten. Das übliche Grüppchen von etwa 100 Damen und Herren mit Jägerhütchen, Baretts und Fuchspelz-Tschapkas tappte auch in diesem Jahr anlässlich des Volkstrauertages zum Neuköllner Friedhof mit seinen Kriegerdenkmälern aus zwei Jahrhunderten. Doch blieb der Ansturm rechter Funktionäre auf das Gräberfeld diesmal spärlich.
Auch die Bundeswehr versagte dem Organisator des Gedenkens, dem Ring Deutscher Soldatenverbände, in diesem Jahr die Unterstützung. Die Teilnahme am sogenannten Heldengedenken war den Soldaten in der vergangenen Woche vom Standortkommando Berlin untersagt worden. Die Bundeswehr konnte zu den Gründen am Sonntag auf taz-Anfrage keine Auskunft geben. Im vergangenen Jahr war kritisiert worden, dass Bundeswehrsoldaten einträchtig neben Rechtsextremen trauern.
"Wir sehen das als einen Erfolg unserer politischen Arbeit", sagte die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke) vom Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus. Die Bundestagsfraktion der Linken hatte zuvor in parlamentarischen Anfragen die mangelnde Distanzierung von Bundeswehrsoldaten zu rechtsextremen Gruppierungen hinterfragt. Das Bündnis gegen Geschichtsrevisionismus hatte in diesem Jahr erneut etwa 150 Leute mobilisiert, die die Friedhofsruhe übertönten. Der Vorsitzende des Berliner Bürgervereins, Hans-Joachim Weinert, einer der Hauptredner des "Heldengedenkens", zitierte dazu einen jüdischen Irrenarzt: "Das sind Entartete, die ihre ungesunden Triebe ausleben." Er meinte damit nicht die Nazis.
Diese nutzen das Wochenende um den Volkstrauertag traditionell dazu, sich auf Soldatenfriedhöfen in Szene zu setzen. Neben Burschenschaftlern, Vertriebenen und Kriegsveteranen legten am Sonntag auch Mitglieder der Deutschen Volksunion und des Stahlhelm Kränze auf dem Garnisonsfriedhof nieder. Doch die Kränze der NPD fehlten diesmal in der trauten Runde.
Auch die größte Kundgebung dieser Art am Soldatenfriedhof im brandenburgischen Halbe sagte die NPD Anfang November ab. Dort habe es keine Zwischenfälle gegeben, meldete ein Polizeisprecher. Die Landesregierung hatte im vergangenen Jahr ein Kundgebungsverbot verhängt. Die NPD musste sich auf neues Terrain zurückziehen.
Erstmals entschieden sich die Rechtsextremen für das Kapitulationsmuseum in Karlshorst, wo die Spitze der Wehrmacht am 9. Mai 1945 die Kapitulationsurkunde unterzeichnet hatte. Der Aufmarsch am Sonnabend richte sich explizit nicht gegen die gefallenen Soldaten der Alliierten, sagte NPD-Landesvorsitzender Eckart Bräuniger. Zu etwa 140 NPD-Anhängern sprach er von der "Alleinschuldthese", dem "Heldentum ohne Beispiel" und der "gedankenlosen Nachwelt".
Nach Polizeiangaben waren rund 400 Gegendemonstranten ebenfalls zum Museum gezogen. Mit Trillerpfeifen, "Nazis raus"-Rufen und "Nie wieder Großdeutschland"-Plakaten machten die Initiativen "Jugend aktiv gegen rechts" und "Buntes Karlshorst" auf sich aufmerksam. Größere Zwischenfälle gab es nicht, abgesehen von Platzverweisen für Teilnehmer einer spontanen Anti-NPD-Kundgebung von 150 Jugendlichen.
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