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Volksentscheide über EnergiepolitikWirtschaftsrat sucht Realitätscheck

Der CDU-Wirtschaftsrat will jetzt Volksentscheide zur Energiewende. Die könne nur gelingen, "wenn alle mitwirken". Grünen-Chefin Roth bezeichnet die Idee als "Hirngespinst".

In Umfragen votieren regelmäßig Mehrheiten gegen Atomkraft. Der CDU-Wirtschaftsrat will das nicht wahrhaben. Bild: dapd

PASSAU/BERLIN afp/taz | Der CDU-Wirtschaftsrat hat sich für Volksentscheide über die von der Bundesregierung geplante Energiewende und den Atomausstieg ausgesprochen. Das Gremium habe den Leipziger Verfassungsrechtler Christoph Degenhart beauftragt, die rechtlichen Grundlagen dafür prüfen, sagte der Sprecher des Wirtschaftsrats, Erwin Lamberts, der Passauer Neuen Presse vom Mittwoch.

Generalsekretär Wolfgang Steiger sagte, das Ziel der Initiative seien aufeinander abgestimmte Plebiszite in den Bundesländern. Eine wirkliche Energiewende könne nur gelingen, wenn alle Beteiligten daran mitwirkten.

In einem Schreiben Steigers an Degenhardt hieß es nach Angaben der Zeitung, eine Erneuerung habe "wenig Sinn", wenn sie scheitere, "weil das Bewusstsein der Bürger und oftmals die Unterstützung der Politik vor Ort fehlen". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth wies diese Idee als "Hirngespinst" zurück. Das sei "der letzte verzweifelte Versuch der Atomlobbyisten innerhalb der Union, den Atomausstieg doch noch zu verzögern". Schon jetzt wolle "die große Mehrheit" der Bundesbürger aus der Atomkraft aussteigen. Auch äußerte die Grünen-Politikerin Zweifel an der Praktikabilität des Vorschlags.

Roth: "Wirtschaftsrat soll Kontakt mit Realität aufnehmen"

Die Durchführung von 16 aufeinander abgestimmten Volkentscheiden mit jeweils unterschiedlichen Quoren und Hürden sei "unrealistisch" und praktisch nicht machbar. "Es wäre schön, wenn der CDU-Wirtschaftsrat wieder Kontakt zur Realität aufnehmen würde", so Roth weiter. Roth kritisierte auch, dass die CDU Volksentscheide nur ins Gespräch bringe, wenn es ihr opportun erscheine, sich der Einführung von bundesweiten Volksentscheiden aber verweigere.

Bei den Volksentscheiden auf Länderebene solle es nach der Vorstellung des Wirtschaftsrats zudem auch um die Fragen der künftigen Energiepreise, der verkürzten Planungs- und Genehmigungsverfahren für neue Anlagen und des Imports von Atomstrom aus dem Ausland gehen.

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9 Kommentare

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  • O
    owied

    Für mich als parteipolitisch Unabhängiger nicht ganz nachvollziehbar, warum hier ausschließlich auf den Grünen rumgehackt wird. In Sachen Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie kann man bei den etablierten Parteien eben am ehesten auf die Grünen zählen, auch wenn hier nicht immer alles ganz ernst gemeint ist.

    Der eigentliche Skandal ist doch, dass die CDU seit Jahrzehnten bundesweite Volksentscheide verhindert, und nun, weil es das GG eben nicht vorsieht, mit einer absgestimmten Bürgerbefragung in allen Bundesländern ankommt. Das ist doch wirklich peinlich.

  • D
    Demokratin

    Die Aussage von Frau Roth zeigt eben das wahre Gesicht der Politiker. Tja, auch die Grünen betreiben doch mehr oder weniger Populismus/Lobbypolitik. Schliesslich wollen auch die gerne mal an die Macht. Das die Grünen keine nahe Volkspartei sind steht ausser Zweifel. Die Grüne Partei ist eine Partei der besserverdienenden Mittelschicht. Das war und wird auch so bleiben. Wenn die Grünen wirklich am Volk, und damit am Volksentscheid, interessiert wären, hätte Frau Roth sich nicht zu solchen Äusserungen hinreissen lassen. Und zuviel Grün kann auch nicht "gesund" sein. Das mit dem Atomausstieg ist eine gute Sache und die Mehrheit der Bevölkerung steht wohl auch dahinter. Nur ist das alles in kurzer Zeit wirklich machbar?! Unser Wohlstand wird ja erarbeitet, auch von sehr energieintensiven Firmen. Ich glaube nicht das mit der Abschaltung aller AKW`s der Energiebedarf so ohne weiteres gedeckt werden kann. Dafür gibt es noch zu wenige bestehende Alternativen. Windräder sind auch nicht das Non plus Ultra. Ausserdem sollten wir auch global denken. Was nützt uns ein AKW freies Land, wenn um uns herum AKW weiter betrieben werden. Strahlung macht nicht vor einer Landesgrenze halt!

    Ich bin auch für Volksentscheide. Wahre Demokratie geht vom Volke aus. Demokratie haben wir ja bis jetzt noch nicht wirklich. Nur muß das Volk auch gut überlegen, wie man am besten das (Energie)Problem löst. Für mich fängt es bei jedem selber an. Ich kenne genug Leute, die verschwenderisch und sorglos mit diesem kostbaren Gut umgehen. Und für mich steht ausser Frage das die Gesellschaft umdenken muß. Dieser Kapitalismus, egal wie man ihn auch bennen mag, wird die Menschheit früher oder später in den Ruin treiben. Ob nun umweltmässig, sozial oder psychisch...Wirtschaftswachstum und immer höherer Wohlstand macht den Menschen in der westlichen Welt nicht wirklich glücklich. Es gibt Bedürfnisse, die einen Menschen glücklich und zufrieden leben lassen. Die Steigerung des Konsums ist es jedenfalls nicht. Wir haben mit der Energie, den AKW`s, auf langer Sicht auch ein globales Problem. Die Welt verändert sich...die Frage ist nur in welche Richtung.

  • N
    nico

    Die Güne Angst vor Bürgerentscheidungen ist berechtigt. Wenn die Quoren niedrig sind, wofür von den Grünen gerade in Baden-Württ. gekämpft wird,

    dann wird das noch schwieriger.

    Die Grünen werden bald spühren, daß wenn die schönen

    Traumthemen, Natur, Friede, Klima konkret werden,

    die Zustimmung hart erkämpft werden muß.

    Repräsentative Modelle erscheinen sicherer gegen

    Ausreißer.

    Aber der Weg zur Volksbefragung ist beschritten.

    Auch andere Richtungen werden ihn nutzbar machen.

  • KL
    Karl Letis

    Demokratische Lösung klingt gut.

     

    Einfach die unglaublichen Fördergelder für erneuerbare Energie stoppen und den Markt entscheiden lassen:

     

    Wer Solarstrom haben möchte, kauft diesen von einem entsprechenden Stromversorger. Das wäre wirklich Demokratische. Jeder entscheidet durch die Wahl eines Stromanbieters wie sich der Markt entwicklet. Der Wahn allen seine Neurosen überzustulpen, wäre damit passee.

  • KL
    Karl Letis

    Demokratische Lösung klingt gut.

     

    Einfach die unglaublichen Fördergelder für erneuerbare Energie stoppen und den Markt entscheiden lassen:

     

    Wer Solarstrom haben möchte, kauft diesen von einem entsprechenden Stromversorger. Das wäre wirklich Demokratische. Jeder entscheidet durch die Wahl eines Stromanbieters wie sich der Markt entwicklet. Der Wahn allen seine Neurosen überzustulpen, wäre damit passee.

  • KL
    Karl Letis

    Demokratische Lösung klingt gut.

     

    Einfach die unglaublichen Fördergelder für erneuerbare Energie stoppen und den Markt entscheiden lassen:

     

    Wer Solarstrom haben möchte, kauft diesen von einem entsprechenden Stromversorger. Das wäre wirklich Demokratische. Jeder entscheidet durch die Wahl eines Stromanbieters wie sich der Markt entwicklet. Der Wahn allen seine Neurosen überzustulpen, wäre damit passee.

  • M
    matt

    Diese Volksentscheide kann die Atom-Lobby-Partei gerne haben. Das nennt sich Wahlen. Am besten Bundestagsneuwahlen. Jetzt, Sofort!

  • N
    nihi.list

    "Roth kritisierte auch, dass die CDU Volksentscheide nur ins Gespräch bringe, wenn es ihr opportun erscheine,..."

     

    GRÖÖÖÖHL. LOOOOOOOOL

    Entschuldigung bitte für diesen spontanen Heiterkeitsausbruch.

    Dieser Satz ausgerechnet von einer Repräsentantin der Grünen! Das ist einfach zu schön.

     

    Warum fürchten die Grünen denn eigentlich in letzter Zeit Bürgerbeteiligungen via Volksentscheide o.ä. wie der Teufel das Weihwasser (z.B. S21)?

    Sie haben zwar zur Zeit sehr gute Umfragewerte und Wahlergebnisse; aber 20-25% sind eben doch arg weit von einer Mehrheit entfernt.

    Würde tatsächlich das Volk befragt werden, so könnte sich sehr schnell herausstellen, dass die Grünen als Partei in sehr vielen Sachthemen eben doch nur eine Minderheit in Deutschland vertreten; auch wenn viele Medienvertreter ein anderes Bild zu zeichnen versuchen.

  • U
    Unbequemer

    "Schon jetzt wolle "die große Mehrheit" der Bundesbürger aus der Atomkraft aussteigen. Auch äußerte die Grünen-Politikerin Zweifel an der Praktikabilität des Vorschlags."

     

    So Frau Roth - Sie können anscheinend hellsehen. Ich würde schon gerne darüber meine Stimme abgeben.