Volksarmee in der Türkei: Das Militär hat wieder eine Spitze
Der neue Generalstabchef Necdet Özel liegt ganz auf der Linie von Premier Erdogan. Die Regierungspresse spricht von einer Normalisierung der Verhältnisse.
ISTANBUL taz | Knapp eine Woche nach dem Rücktritt der türkischen Armeespitze, ist die Führung des türkischen Militärs wieder komplett. Staatschef Abdullah Gül bestätigte gestern die Ernennungen eines neuen Generalstabchefs und der neuen Kommandanten der Teilstreitkräfte. Vorausgegangen war ein viertägiges Treffen des Hohen Militärrates, der jeweils im August tagt, um über Beförderungen innerhalb des Militärs zu entscheiden.
Dieses Mal fand die Sitzung unter dem Vorsitz von Premier Recep Tayyip Erdogan statt. Damit wurde deutlich sichtbar, dass nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen der islamisch grundierten AKP-Regierung und dem säkular ausgerichteten Militär die Regierung die Oberhand gewonnen hat.
Die alte Armeespitze hatte ihren Rücktritt damit begründet, dass Erdogan darauf bestand, alle Generäle und hohen Offiziere, gegen die wegen angeblicher Putschpläne ermittelt wird, zwangsweise in den Ruhestand versetzen zu lassen. Generalstabschef Isik Kosaner wollte dagegen bis zu einer Entscheidung des Gerichts an der Unschuldsvermutung festhalten.
Weil Erdogan hart blieb, traten er und drei weitere Kommandanten zurück. Lediglich der Gendarmerie-Kommandant Necdet Özel blieb im Amt und wurde daraufhin gleich zum kommissarischen Generalstabschef befördert.
Özel ist nun offiziell neuer Generalstabschef geworden. Erdogan war daraufhin sogar bereit zu akzeptieren, dass mit Hayri Kivrikoglu ein Mann aus der alten kemalistischen Garde der Armee neuer Chef des Heeres wurde. Aus Altersgründen wird er aber in zwei Jahren ausscheiden.
Sein Nachfolger wird der jetzt ernannte neue Gendarmerie-Kommandant Bekir Kalyoncu. Gegenüber seiner neuen Armeeführung zeigte sich Erdogan großzügiger. Die 42 Offiziere. gegen die ein Verfahren läuft, werden nicht zwangspensioniert. Lediglich ihre regulären Beförderungen sollen für ein Jahr ausgesetzt werden.
Mit Necdat Özel ist erstmals ein Generalstabschef im Amt, der der AKP-Regierung wohlwollend gegenübersteht. Im publizistischen Lager der Regierung wird das als "Normalisierung" der Verhältnisse begrüßt. Die Armee sei nun eine Armee des Volkes, heißt es. Auf Özel kommt eine große Heeresreform zu. Die Armee soll professioneller und auf die Abschaffung der Wehrpflicht vorbereitet werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass