Volker Finkes Erkenntnisse der Fußball-EM: "Rückschritt" für Deutschland
Das Gerede vom deutschen "Sieger-Gen" sei Verschleierung und "respektlos" gegenüber einem gut spielenden Gegner, meint Trainer Volker Finke.
Fußballtrainer Volker Finke bastelt an einer Rückkehr ins Trainergeschäft. "Ich bin in Gesprächen, die bedeuten könnten, dass ich auf die Trainerbank zurückkehre", sagte er der taz. Die Tendenz gehe dahin, statt eines Klubs eher ein Nationalteam trainieren und in Richtung WM 2010 führen. Seit seinem Abschied nach 16 Jahren SC Freiburg im vergangenen Sommer war Finke auch bei diversen Bundesligisten im Gespräch, zuletzt beim 1. FC Köln. Bei der EM arbeitete er als Experte für das Schweizer Fernsehen.
Die Leistung der deutschen Nationalmannschaft bei der EM sieht Finke trotz Finalteilnahme als spielerischen "Rückschritt". Der "Fortschritt der WM" sei "dieses Mal auf dem Platz nicht eingelöst" worden. Besonders bemängelt er, "wenn dann so getan wird, als sei der Rückschritt ein weiterer Fortschritt, als sei es eine besondere Stärke, schlecht zu spielen und trotzdem zu gewinnen." Finke: "Ich finde es etwas respektlos gegenüber einem Gegner, der gut Fußball gespielt hat, zu sagen, wir Deutschen hätten halt das Siegergen."
Finke ist ein Verfechter des Kombinationsfußballs, mit dessen Hilfe er ab Anfang der 90er den SC Freiburg zu einem landesweit beliebten und geachteten Erfolgsmodell machte und ihm zu zehn Jahren Bundesliga verhalf. Dieser Fußball ist für ihn "schön", gleichzeitig "zielgerichtet" und ein Konzept, das "auf Dauer Erfolg bringt". Er glaubt, dass der EM-Erfolg des spanischen Kombinationsfußballs Einfluß auf den deutschen Vereinsfußball haben wird. "Es werden sich wieder mehr Vereinstrainer darum kümmern, wie Spanien spielt."
Bei der WM 2006 habe der Tempofußball der Deutschen "als modernste Entwicklung" gegolten. "Und bei dieser EM hat sich nun wieder die andere Fußballphilosophie durchgesetzt: Die sagt: An jeder Stelle des Platzes ist für uns Ballbesitz die beste Defensive. An jeder Stelle des Platzes können wir uns freikombinieren."
Finke glaubt auch, dass Spaniens Ballbesitz-Fußball jenseits von Turnierlaunen dauerhaften Erfolg garantiert: "Würde die EM in einer Liga mit den acht besten Mannschaften ausgetragen, würde Spanien auch mal ein Spiel verlieren, aber in der Summe wären sie immer vorn dabei oder ganz vorn."
Befriedigt zur Kenntnis genommen hat er, dass seit der EM stärker als bisher anerkannt wird, dass kleine Stürmer, die kaum Tore schießen, in einer bestimmten Spielphilosophie für eine Mannschaft wichtig sein können. Dafür war er jahrelang in Deutschland und im eigenen Klub kritisiert worden: "Es gab eine Angst vor kleinen Spielern, das war so. Wenn ich diese Spieler vom Typ Alexander Iashvili bestimmten Leuten im Verein vorgestellt habe, konnten die nicht an sich halten vor Enttäuschung."
Die Entwicklung war in den letzten Jahren zum großen, kopfballstarken Keilstürmer gegangen, der Flugbälle sichern und ablegen kann - und Tore schießt. Musterbeispiel ist Luca Toni (FC Bayern), der nun bei der EM ohne Torerfolg blieb. Finke: "Mit dieser Philosophie, die auch die Spanier haben, ist es uninteressant, ob der Stürmer in der Ballstafette, die zum Torerfolg führt, an zweiter, elfter oder vierzehnter Stelle steht." Diese Spielweise sei "losgelöst vom Heroenfußball der einzelnen".
Das ganze Interview mit Volker Finke lesen Sie in der Samstagausgabe der taz.
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