: Vogel muß vor Gericht
■ Im Mai beginnt ein neuer, zweiter Prozeß gegen den DDR-Unterhändler
Berlin (dpa) – Der ehemalige DDR-Unterhändler Wolfgang Vogel kommt erneut auf die Anklagebank. Justizsprecher Rüdiger Reiff bestätigte, daß der zweite Prozeß gegen den früheren persönlichen Beauftragten von DDR- Staats- und Parteichef Erich Honecker vor dem Berliner Landgericht am 6. Mai eröffnet werde. Vogel muß sich dann erneut wegen der Erpressung ausreisewilliger DDR-BürgerInnen verantworten.
In dem ersten Prozeß war der 70jährige im Januar dieses Jahres zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung sowie zusätzlich zu einer Geldstrafe von 92.000 Mark verurteilt worden. Der Schuldspruch lautete auf Meineid, der persönlichen Erpressung von vier ausreisewilligen Mandanten sowie Beihilfe zur Erpressung in einem Fall. Weiterhin wurde Vogel zur Last gelegt, als Notar zu DDR-Zeiten in fünf Fällen falsche Urkunden ausgefertigt zu haben.
Vogel hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. In dem nun anstehenden neuen Prozeß wird auch der frühere Stasi-Generalmajor Gerhard Niebling (63) mit auf der Anklagebank sitzen. Beiden wird Erpressung ausreisewilliger DDR- BürgerInnen in 41 Fällen zur Last gelegt, erklärte Reiff. Die Betroffenen sollen genötigt worden sein, ihre Grundstücke vor der Ausreise an Privilegierte des DDR-Regimes abzugeben. In dem Prozeß wird die ursprüngliche These der Staatsanwaltschaft untersucht werden, wonach Vogel bei Ausreisefällen einen „bestimmenden Einfluß bei den Entscheidungsprozessen“ gehabt habe. Diese These hatte die große Strafkammer des Berliner Landgerichts vor Beginn des ersten Prozesses verworfen, woraufhin die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegte. Die erneute Anklage behauptet, daß Vogel in seiner Stellung die generelle Nötigungslage ausnutzte, in der sich die DDR-Bevölkerung durch Mauer und Stacheldraht befunden habe.
Vogel erklärte auf Anfrage von dpa, er habe niemanden erpreßt. „Ich bin immer nur im Interesse meiner Mandanten tätig geworden.“ Er sei kein Entscheidungsträger gewesen. Denn, wenn er einer gewesen wäre, dann hätte er sich es einfach machen können und die Ausreise in den Fällen genehmigt. „Ich mußte aber immer vermitteln.“
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