Völkische Siedler in Niedersachsen: Bienenbüttel will kein Zeichen setzen
Der Gemeinderat Bienenbüttel stimmte gegen ein „Kreuz ohne Haken“ am Rathaus – weil die Initiative mit „der Antifa“ zusammenarbeite.

Damit hat der Rat gegen einen Antrag von SPD und Grünen gestimmt, die schon im Februar 2023 eine Resolution eingebracht hatten, in der sie forderten, dass die Gemeinde sich deutlich gegen Rechtsextremismus positioniert. „Gut sichtbar“ solle das Kreuz-Symbol des Netzwerks „Beherzt“, das sich seit 2018 gegen völkische Siedler in der Region engagiert, im Rathaus aufgestellt werden, hieß es im Antrag.
Die Holzkreuze findet man auf fast allen Dörfern im Umland. Andere Gemeinden, darunter Bleckede und Lüchow-Dannenberg, haben schon ein „Kreuz ohne Haken“ am Rathaus angebracht. Anlass, die Sache auch in Bienenbüttel anzustoßen, war eine bundesweit beachtete Spiegel-Doku über völkische Siedler in der Heide, die auch die Familie Fachmann thematisierte, eine der größten „Sippen“ in der Szene.
Gemeinde steht schon länger in der Kritik
Die Fachmanns wohnen seit Generationen im Ort. Sie haben Verbindungen zu extrem rechten Gruppen wie dem „Sturmvogel“, aber auch zum lokalen Sportverein TSV Bienenbüttel. Ihr Haus mit völkischen Runen im Gebälk ist nur drei Gehminuten vom Rathaus entfernt. Der Gemeinde wird schon länger vorgeworfen, sich nicht ausreichend gegen die völkischen Rechten zu positionieren.
Das muss sich ändern, findet Petra Andreas-Siller, die für die Grünen im Gemeinderat sitzt. „Wir finden, dass das ‚Kreuz ohne Haken‘ eine gute Art gewesen wäre, um klare Kante zu zeigen“, sagt sie. Dies sei umso wichtiger in Zeiten der wachsenden Zustimmung für die AfD in der Region, die im Gemeinderat bisher nicht vertreten ist.
Dass der Antrag abgelehnt wurde, habe sich aber abgezeichnet. „Er wurde verschleppt“, sagt Andreas-Siller. So sah es auch die Initiative „Bienenbüttel summt bunt“, die Bürgermeister Merlin Franke (CDU) im vergangenen Jahr kurzerhand ein „Kreuz ohne Haken“ und eine Petition mit über 700 Unterschriften überreichte. Damals verwies der Bürgermeister darauf, dass die Sache erst durch den Gemeinderat müsse.
Da hatte es der Vorschlag von SPD und Grünen schon von Anfang an schwer. Bevor die Resolution angenommen wurde, bestand die Mehrheit im Rat darauf, sich nicht nur gegen völkische und rechte, sondern auch gegen „linksradikale, sowie jegliche religiös-fundamentalistisch motivierte Ideologien in der Einheitsgemeinde Bienenbüttel“ auszusprechen, wie es schon in einem Statement von 2016 heißt.
CDU hat ein Problem mit „der Antifa“
Auf das bezogen sich auch die Ratsmitglieder von CDU, FDP und Wählergemeinschaft Bienenbüttel (WGB), als sie den Antrag ablehnten. So meinte die Vorsitzende der CDU/FDP-Gruppe, Kathrin Ellenberg, in der Sitzung, die Gemeinde-Erklärung sei ein „ausreichendes Zeichen gegen Extremismus“.
Ein „Kreuz ohne Haken“ an einem öffentlichen Gebäude wie dem Rathaus sei dagegen „absolut ausgeschlossen“. Es verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner politischen Überzeugung diskriminiert werden dürfe. Zudem sei es eine unzulässige Wahlbeeinflussung, da das Rathaus auch als Wahllokal genutzt werde.
Auch lehne die CDU/FDP-Gruppe jede Zusammenarbeit mit der Gruppe Beherzt ab, da diese Informationen „der Antifa“ nutze, so die Vorsitzende. Dies sei ein teils vom Verfassungsschutz beobachtetes linksextremistisches Aktionsfeld. Immer wieder riefen „Linksextremisten zu Aktionen zum Nachteil ihrer Meinung nach ‚faschistischer‘ Personen, Gruppen oder Institutionen auf“.
Mit „der Antifa“ ist unter anderem die Gruppe Antifa Lüneburg/Uelzen gemeint, die seit den 1980er-Jahren zu völkischen Netzwerken auf den Dörfern in der Lüneburger Heide recherchiert – für Andreas-Siller von den Grünen ist sie „die bestinformierte Organisation in der Region“. Wer die Zusammenarbeit ablehne, verschließe sich Informationen.
AfD argumentierte im Landtag ähnlich
So sieht es auch der Sprecher von Beherzt, Martin Raabe. „Wir arbeiten mit allen Fachkundigen zusammen.“ Für die Entscheidung des Gemeinderats zeigt er Verständnis. Doch die Begründung hält er für sehr gefährlich. „Die Gleichsetzung von Antifa und Linksextremismus ist ein Riesenproblem“, sagt Raabe. Er betont, dass Beherzt nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Einen ähnlichen Angriff auf das Netzwerk hatte die AfD im niedersächsischen Landtag im Herbst unternommen. Auf eine Kleine Anfrage zur Zusammenarbeit von Beherzt mit „der Antifa“ antwortete die Landesbehörde, dass keine Verbindungen der Gruppe in die „linksextremistische Szene“ bekannt seien.
Am Ende stimmten die Gemeinderatsmitglieder als Ersatz für das „Kreuz ohne Haken“ einstimmig dafür, ein „Fest für Vielfalt“ auszurichten, an dem alle Fraktionen teilnehmen wollen. Ob Beherzt am Fest teilnehmen darf, beantwortete die Gemeinde auf taz-Anfrage nicht.
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