Vögel als Bioindikatoren: Weltenbummler auf Reise
■ Vogelforscher verfolgen Reiserouten der Vögel gen Süden
Helgoland. Pünktlich zum Herbstbeginn erfüllt babylonisches Stimmengewirr den Himmel: Millionen von Vögeln starten von den Nordländern der Erde angesichts des nahenden Winters zum Flug gen Süden. Doch wo werden sie rasten, leben, abgeschossen, wo überwintern all die Vogelarten vom Adler bis zum Zaunkönig?
Die vor 100 Jahren begonnene Vogelberingung hat die Zugwege, Rast- und Überwinterungsgebiete der meisten Arten enträtselt. Weltweit werden jedes Jahr über fünf Millionen Vögel vom großen Storch bis zum fünf Gramm wiegenden Federgewicht Goldhähnchen auf ihrem Zug gefangen und mit Metallringen, meist aus Aluminium mit eingestanzter Nummer und Herkunftsland, markiert und auf die Reise geschickt.
Einzelne Vögel wurden schon früh mit Fußringen samt Namen des Eigentümers versehen, wie Marco Polo von seiner Asienreise von 1271 bis 1295 über chinesische Falkner berichtet. Als Begründer der wissenschaftlichen Vogelberingung gilt der dänische Lehrer Hans Christian Cornelius Mortensen. Im Herbst 1899 kennzeichnete er in Viborg (Jütland) 165 Stare mit Ringen.
Diese Methode machte schnell Schule: Mitarbeiter der drei deutschen Vogelwarten – neben Wilhelmshaven/Helgoland sind dies Radolfzell am Bodensee sowie Hiddensee – fingen von 1903 bis heute rund 17 Millionen Vögel. Heute wird die Beringung vorrangig als Umweltmonitoring eingesetzt. „Großräumige Bestandsrückgänge“, analysiert Franz Bairlein, Direktor des Instituts für Vogelforschung Wilhelmshaven, in der Zeitschrift „Der Falke“, „sind das Ergebnis geringen Bruterfolgs, Folge von Verlust an Lebensraum, schlechterem Nahrungsangebot, Schadstoffeinwirkungen, Verfolgung.“
„Die Wiederfunde zeigen zudem“, so sagt Ommo Hüppop, Leiter der Inselstation Helgoland, „dass Drosseln in Italien, Frankreich oder Portugal nach wie vor stark bejagt werden.“ In Deutschland, Holland und in der Schweiz spielt der Abschuss kaum noch eine Rolle. Vögel gelten auch als gute Bioindikatoren, da sie schnell auf Veränderungen ihrer Lebensräume reagieren. „Die Beringung zeigt gut die Zu- und Abnahme der Arten“, erklärt Hüppop. „Aber auch die Lage wichtiger Rastplätze. Das sind Trittsteine für den Vogelzug. Die müssen wir über Ländergrenzen hinaus schützen.“ dpa
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