■ Medienschau: Visum gegen Bargeld
Die obligatorische Schlange von Visumantragstellern vor den deutschen Auslandsvertretungen in der Türkei gehören schon zum alltäglichen Bild. Die nationalliberale Hürriyet schreibt dazu: „Obwohl täglich annähernd 100 Anträge angenommen werden, kommt nicht jeder, der oft schon seit der Nacht in der Reihe wartet, in das Konsulat. Usus ist, daß man von den Bediensteten des Konsulats morgens ab sieben ein Formular bekommt, das mit einer Nummer versehen ist, nach der sich die Antragsteller anzustellen haben. Meist wartet man jedoch vergeblich bis zum Abend und muß wieder unverrichteter Dinge nach Hause gehen. Am nächsten Tag versucht man es dann ein weiteres Mal. Aus diesem Grund haben sich einige Geschäftstüchtige ein System ausgedacht, bei dem ein gescheiterter Antragsteller am Abend gegen Bezahlung von ihnen eine Nummer bekommen kann. Am nächsten Morgen stellt man sich dann unter der erworbenen Nummer in der Schlange an. Für die vorderen Plätze in dieser inoffiziellen Reihe bezahlt man 150 DM, während die hinteren Plätze schon für 50 DM zu haben sind. Dies ist der kürzeste Weg, zu einem Visum zu kommen. Scheinbar lassen sich durch dieses Geschäft ca. 1.000 DM am Tag verdienen. Der deutsche Konsul Manfred Unger gibt zu verstehen, daß von 40.000 Antragstellern im Jahr immerhin zwei Drittel ein Visum erhalten. Jedoch ist er sich der ungenügenden Platzverhältnisse bewußt.“ 8.1.97
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