Visionen auf Asean-Gipfel: Eine "neue EU" in Südostasien
Bei ihrem Treffen in Thailand formulieren die Beteiligten die Schaffung einer EU-ähnlichen Gemeinschaft als Ziel. Der Gastgeber wertet ungestörten Verlauf als Erfolg.
Mit großen Visionen im Kontrast zu den geringen erzielten Fortschritten ist am Sonntag der Gipfel der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean in den thailändischen Badeorten Cha-Am und Hua Hin 200 Kilometer südlich von Bangkok zu Ende gegangen. Die zehn Asean-Staaten beschworen mit ihren Partnern China, Japan, Indien, Südkorea, Australien und Neuseeland ihr Ziel einer Gemeinschaft, vergleichbar mit der Europäischen Union.
Japans neuer Premier Yukio Hatoyama ging in seiner Vision einer Ostasiatischen Gemeinschaft sogar so weit, für diese gleich die globale Führungsrolle zu reklamieren. Gleichzeitig betonte er die anhaltende Wichtigkeit der Beziehungen zu den USA. Wie diese aber in eine solche Gemeinschaft einbezogen werden sollten, ließ er offen. Sein Außenamtssprecher erklärte auf Nachfrage, dies sei "unklar".
Hatoyama strebt engere Beziehungen zu Japans Nachbarn an. Deshalb wurde sein Vorschlag von Vertretern China auch nicht gleich zurückgewiesen. Die Volksrepublik, Japan, Indien, Südkorea und Australien, die mit ihren Regierungschefs vertreten waren, buhlen um politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Südostasien. Die 1967 gegründete Asean ist das älteste und am besten funktionierende politische Bündnis in Asien. Mit rund 585 Millionen Einwohnern ist Asean ein attraktiver Markt.
Australiens Premier Kevin Rudd warb für seine mit Hatoyama konkurrierende Idee einer "asiatisch-pazifischen Gemeinschaft". In der sollen die USA und andere Pazifik-Anrainer einen festen Platz haben. Hinter den verschiedenen Konzepten steht der Versuch, den schnell wachsenden Einfluss Chinas durch die Einbeziehung anderer gewichtiger Staaten wie der USA oder Indiens auszugleichen. Die USA waren beim Gipfel nicht vertreten. Doch wird sich US-Präsident Barack Obama Mitte November beim Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforum (Apec) in Singapur erstmals gesondert mit den Asean-Regierungschefs treffen. Damit will Washington verhindern, dass sein Einfluss in der Region weiter schwindet.
Im Kontrast zum Großmachtinteresse an Asean stand der Umgang der südostasiatischen Regierungschefs mit ihrem eigenen Bündnis. Erstmals waren der Eröffnung des Gipfels die Hälfte der Regierungschefs ferngeblieben. Zudem überschatteten ihn bilaterale Konflikte. So provozierte Kambodschas Premier Hun Sen den Gastgeber Thailand mit einem Asylangebot an den exilierten thailändischen Expremier Thaksin Shinawatra. Er wolle den 2006 durch einen Putsch gestürzten Milliardär zu seinem Wirtschaftsberater machen.
Die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten sind wegen des Gebietsstreits um einen Tempel an der gemeinsamen Grenze angespannt. Hun Sen wies eine in Aussicht gestellte Auslieferungsforderung Bangkoks postwendend ab und verglich Thaksin gar mit der unter Hausarrest stehenden birmesischen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
Diesmal verzichteten die Asean-Staaten darauf, Birmas Militärjunta zur Freilassung Suu Kyis aufzufordern. Asean gab sich mit der Ankündigung von Wahlen für 2010 zufrieden.
Für Thailand waren die Ergebnisse des Gipfels weniger wichtig, als dass er überhaupt ungestört über die Bühne ging. Dafür wurden 18.000 Polizisten und Soldaten aufgeboten. Im April musste der Gipfel im Badeort Pattaya abgebrochen werden, nachdem demonstrierende Anhänger Thaksins ins Tagungshotel vorgedrungen waren. Und im Dezember vergangenen Jahres legte das politische Lager der jetzigen Regierung mit einer Blockade des Flughafens Bangkok das politische Leben des Landes lahm und verhinderte so den damals geplanten Gipfel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers