piwik no script img

Virus im Anzug

■ Ansteckend: Oldenburg begeistert sich zum zweiten Mal für „Performance-Tage“

Ein Lieblingskind der 70er-Jahre-Kultur meldet sich zurück, und zwar in in Oldenburg. Die einstmals schrillen Inszenierungen der „Performance“ haben allerdings Federn gelassen; nun nennt sich das Spektakel „Performance-Art“. Wer sie aber als nicht mehr zeitgemäß ansieht, der täuscht sich, meint Hedwig Vavra vom Oldenburger Kulturamt. Schon vor zwei Jahren habe die erste Veranstaltungsreihe dieser Art gezeigt, daß gerade ein Medium wie dieses, das kein Massenpublikum erreicht (und es auch gar nicht verträgt), viel nachhaltigere Auseinandersetzungen auslösen kann, als Kunst in herkömmlichen Rahmen und Räumen. Wie ein kleiner Virus sollen diese kleinen Provokationen Löcher in gewohnte Wahrnehmungsmuster fressen.

Das Publikum soll dabei durchaus direkt politisch angemacht werden. Z.B. mit Ingeborg Broskas Trauerspiel um den „Broiler“; der Identitätskonflikt BRD/DDR ist ihr Thema. Schon vor zwei Jahren zeigten die Besucherinnen sich zwar irritiert, aber auch sehr an getan von der Ernsthaftigkeit im Tun der AkteurInnen: „Die Arbeit an der Notwendigkeit“ dieses Tuns, das Wechselspiel von Umgebung und Person, ist so auch das Thema der diesjährigen Reihe. Als Leitmotiv wurde die Rose von Jericho gewählt, deren Wandelbarkeit gemäß den unterschiedlichsten Standortbedingungen das Prinzip der Performance versinnbildlicht.

So trägt das Festival gerade auch seinem Ort Rechnung: In der rohen Pferdemarkthalle sollen ab heute Jay Kohs rituelle „Wurfzeichen“, die Arbeiten von Karin Meiner, Siglinde Kallenbach u.v.a. neue Wege zu verschütteten Wahrnehmungsformen eröffnen. Eine andere Lesart der Dinge zu entdecken, ihrem entschwundenen Hintersinn zu lauschen und ihn als Handlungsanweisung zu verstehen – darum wird sich hier bis einschließlich Sonntag allabendlich alles drehen, Und zwar weniger kultisch – wer liest schon noch im Kaffeesatz – als feinsinnig provokativ. Marijke Gerwin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen