Village Voice : Dem Jugendwahn huldigen
Als sich Jonas Poppe und Sebastian Dassé dereinst zu Kissogram zusammentaten, da stand ihnen kaum mehr zur Verfügung als ein billiger Synthesizer, ein antiker Kassettenrecorder mit acht Spuren und der unbedingte Wille, Popstars zu werden. Fünf Jahre später sind sie auf dem besten Wege zur Berühmtheit und besitzen wahrscheinlich entschieden mehr Equipment als zu Anfangszeiten. Aber den Sound ihres lang erwarteten Debütalbums „The Secret Life of Captain Ferber“, den hätten sie wohl auch schon damals ziemlich genauso hingekriegt. Da fiepsen die Synthies, rattern die Sequenzer und klappern die Rhythmusmaschinen, als lägen Depeche Mode noch in den Windeln und hätten Heaven 17 gerade eben den Sozialismus ausgerufen. Vor allem, wenn Kissogram über piepsigen Popmelodien mit Hinweis auf die Anti-Raucher-Kampagne „Cool Kids Can’t Die“ dichten oder nur leicht ironisch dem Jugendwahn huldigen, erinnert das mitunter gar an die rührenden Versuche deutscher Popperlockenträger in den 80er-Jahren, Synthie-Bands aus Großbritannien zu imitieren. Noch allerdings sind Kissogram vornehmlich Big in Berlin. Ob sie aber noch zu den zweiten Alphaville werden – soll man ihnen das wirklich wünschen?THOMAS WINKLER