Village Voice: Nicht mehrheitsfähig
■ Techno ohne Techno: der Sampler „Made in Berlin“
Es gibt wohl keine Metropole der Welt, in der einem nicht früher oder später ein junger Mensch mit einem Elektro- T-Shirt über den Weg laufen wird, Slogan „Full Customer Satisfaction“. Was so nicht abzusehen war, als Elektro noch ein Verbund aus kleinstem Technoclub der Welt, Videos, die „die Realität ins Fernsehen zurückbringen“, Plattenlabel und T-Shirt war.
Der gerade mal ein paar Quadratmeter große Dancefloor in der Mauerstraße wurde in kürzester Zeit zum Schauplatz denkwürdiger, den Konsens fliehender Parties. Seit das besetzte Haus letztes Jahr abgerissen worden war, existierte Elektro geraume Zeit nur noch als Label für minimalistische Abstract- Techno-Veröffentlichungen, um dann in die Welt manifester Orte zurückzukehren: In der Invalidenstraße heißt Elektro jetzt Panasonic. Dort konnte gerade der Hypobank vorerstEinhalt geboten werden, die kurzerhand die Türen des Hauses zugemauert hatte, „um das Objekt überhaupt verwaltbar zu machen“.
Während auf der letzten Love Parade die Idee der Party endgültig bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wurde, präsentierte Panasonic DAT-Tapes aus dem Underground. Die jüngsten Aufnahmen der Berliner Fraktion unabhängiger Autorenlabels – Elektro, 100 Records, parsek, ACID ORANGE, Fixed Systems Records, v-records und Traktor – wurden jetzt als „Made in Berlin“-Kompilation veröffentlicht.
Parsek lassen fast schon nach Jazz riechende HiHats auf plastische Sounds und zwingende Vierviertel-Beats treffen. Überhaupt stellt sich der Sampler vor allem der Frage: Wie minimal kann ein Technotrack werden, ohne eine fundamentale Funkyness zu verlieren? Die Antwort läßt nur ein paar Takte auf den Stücken von 100 Records und Traktor verstreichen, wobei letzteres mit seinen Tischtennisballsounds wohl am schnellsten Menschen in Bewegung setzen wird.
Der Elektro-Track funktioniert formal ähnlich auf der Ebene der Komposition. Solche irgendwie körperlose Abstraktion ist nicht gerade mehrheitsfähig und entzieht sich damit gezielt den Kriterien, die von den Disk-Ingenieuren durchkalkulierter Partyevents angelegt werden, wenn es darum geht, ein paar hundert Leute zielsicher in Richtung Ekstasesimulation zu schubsen. Damit geht aber gleichzeitig auch das verloren, was man als den Body-music-Aspekt von Techno bezeichnen könnte. Aber vielleicht ist es gerade deswegen eine strikte Absage an die Retro-Idee des Authentischen, die sich da formuliert.
Übrigens ist neben „Made in Berlin“ mit „N.Y.C. Loops“ die Nummer 005 auf Elektro eben erschienen. Nicht auf Vinyl, sondern als 37minütiges Videoband mit den bekannten Schleifen fürs Reality-TV zu Hause. Dank der Intervention der bayerischen Hypobank ja vermutlich der einzige Ort, an dem Elektro in Zukunft stattfinden wird. Ulrich Gutmair
Diverse: „Made in Berlin“ (Elektro)
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