: Vietnam erteilt allen Nigerianern Einreiseverbot
Mit hilflosem Aktionismus reagiert Vietnams Regierung auf die Vielzahl nigerianischer Migranten
BERLIN taz ■ Vietnams Regierung hat ein generelles Einreiseverbot für Menschen aus Nigeria verhängt. Der Grund: Das südostasiatische Land ist zum Ziel illegaler Migration aus Afrika geworden. Mehrere hundert Nigerianer leben inzwischen ohne gültige Papiere in Vietnams größter Stadt Ho-Chi-Minh-Stadt. Da sie dort weder arbeiten dürfen noch Sozialleistungen erhalten, verdienen sie sich nach offiziellen vietnamesischen Angaben ihren Lebensunterhalt als Kriminelle. Nigerianer, so berichten die staatlich kontrollierten Zeitungen, stehlen, handeln mit Drogen und verdingen sich als Zuhälter. Sie seien meist obdachlos und wohnten unter freiem Himmel.
Karsten B., ein Deutscher in Ho-Chi-Minh-Stadt, beschreibt es weniger dramatisch: „Die Nigerianer, mit denen ich hier gesprochen habe, sind Fußballspieler. Sie sind über Agenten in Vietnam gelandet, die ihnen Verträge mit hiesigen Clubs versprachen.“ Fußball ist in Vietnam sehr populär, und wer bei einem namhaften Club spielt, verdient gutes Geld. Einige Nigerianer seien auch tatsächlich im Profifußball untergekommen und verdienten gut. Karsten B.: „Andere wurden betrogen, und jetzt suchen sie einen Weg, in den Golf-Staaten einen Fußballvertrag zu bekommen.“ Ihren Lebensunterhalt müssten sie sich bis dahin illegal verdienen.
Vietnam gehörte vor zehn Jahren noch zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. Seitdem hat es ein atemberaubendes Wirtschaftswachstum hingelegt und ist heute auf dem Weg zum Schwellenland. Die Entwicklung im Land verläuft aber ungleichmäßig. Viele Menschen aus vernachlässigten Landesteilen Vietnams migrieren selbst illegal nach Europa und verdienen dort ihren Lebensunterhalt oft illegal: in Deutschland etwa durch Schwarzhandel mit Zigaretten. Dass jetzt Menschen aus noch ärmeren Ländern in Vietnams Großstädten, in denen der Lebensstandard beachtlich ist, ihr Glück versuchen, ist eine neue Erfahrung, die Vietnams Politiker völlig unvorbereitet trifft und worauf sie mit politischem Aktionismus reagieren. Bisher galten Ausländer in Vietnam als reich und waren deshalb willkommen.
Von dem Einreiseverbot sind selbst Regierungsmitglieder, nigerianische Mitarbeiter der Weltbank und anderer internationaler Organisationen betroffen. Dagegen hat Nigeria offiziell protestiert. Vietnam wiederum hatte vor wenigen Wochen Nigerias Botschafter einbestellt und ihm unterstellt, die Regierung in Abuja plane die Migration ihrer Bürger und ermuntere sie zu Kriminalität in Vietnam. Ganz so, als würde die deutsche Bundesregierung Hanoi unterstellen, den illegalen Zigarettenhandel seiner Landsleute in Deutschland zu steuern.
Es gibt noch eine weitere Parallele des Umgang: So wie Vietnam seine in Europa gestrandeten Landsleute nicht zurücknimmt, hat es jetzt Schwierigkeiten, die Nigerianer wieder loszuwerden. Vietnam hat weder Polizisten mit englischen Sprachkenntnissen, die mit den Nigerianern reden könnten, noch einen Haushaltstopf, aus dem man deren Abschiebung bezahlen könnte. MARINA MAI