: Vierspuriger Transit durch die Ökohauptstadt
■ Eine 26 Meter breite Stadtautobahn soll Freiburg zerschneiden. Der SPD-Bürgermeister steht ohne Basis da, die Bündnisgrünen boomen
Recht haben sie ohne Zweifel. „Die B31 ist noch nicht gebaut“, schreiben die Freiburger Bündnisgrünen gern auf ihre Plakate. Das war vor der Kommunalwahl vor zwei Jahren so, das war bei der Bundestagswahl so und auch bei der Landtagswahl vergangenen März. Das gigantische Straßenprojekt im bislang ruhigen Schwarzwälder Dreisamtal beschert der Ökopartei ungeahnte Publikumsgunst. Sie erhalten in einzelnen Wahlkreisen bis zu 45 Prozent der Stimmen. Die Freiburger SPD dagegen leidet unter Wählerschwund und Zerrissenheit.
Vor gut zwei Jahren schon wurde an den auslaufenden Schwarzwaldhängen der erste Spatenstich für jene autobahngleiche Bundesstraße zelebriert, die zur Jahrtausendwende die Ökostadt zerschneiden soll. SPD-Oberbürgermeister Rolf Böhme hatte damals, umringt von lauter schwarzer Prominenz, den Spaten geschwungen. Seitdem verkündet er gebetsmühlenartig, daß die Asphaltpiste schon so gut wie gebaut sei. Den Widerstand der im Anti-Atom- Protest erprobten SüdbadenerInnen hofft er damit bremsen zu können.
Doch die Fakten sind andere. Juristisch ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen. Zugleich steht die Finanzierung auf wackligen Beinen: Die Stadtautobahn, offiziell 618 Millionen Mark teuer, soll privat vorfinanziert werden – ein Verfahren, das die Kosten hochtreibt und zudem als verfassungswidrig gilt, denn es versteckt die Schulden subtil im Haushalt.
Eine Autobahn durch das Herz der Ökohauptstadt – wenn die BürgerInnen zu den Wahlurnen schreiten, hat Freiburg seit einigen Jahren ein eigenes Thema. In der Osthälfte des Freiburger Stadtgebiets, dort, wo in den nächsten Jahren das Dreisamtal zerstört werden soll, wurden die Grünen auch im März wieder zur stärksten Partei. 28,3 Prozent der Stimmen bekamen sie in der ganzen Stadt – ein Ergebnis, von dem die SPD mit ihren 24,9 Prozent nur träumen kann. Im Stuttgarter Landtag sitzt nun kein Freiburger SPD-Mensch mehr, dafür aber zwei Grüne. Auch im Gemeinderat sind die Grünen seit zwei Jahren stärker als die Sozialdemokraten.
Die Asphaltpiste frißt die gespaltene SPD auf. Denn Autobahnfreund OB Böhme steht in Sachen Bundesstraße fast ohne seine Basis da: Im Gemeinderat weiß er die Mehrheit seiner Fraktion gegen sich, seine Partei ist gar Mitglied im Aktionsbündnis gegen das Straßenmonster. Böhme als Vorkämpfer der Asphaltlobby bleibt daher nur eines: Er paktiert mit den Konservativen.
Die nämlich versuchen ebenso wie er, die Schnellstraße als Ortsumfahrung für den verkehrsgeplagten Freiburger Stadtteil Ebnet zu verkaufen – und verschweigen dabei, daß Bonn die B31 als internationale Transitachse plant. Darauf deutet auch ihre Breite hin: 26 Meter sind für eine einfache Ortsumfahrung doch etwas viel.
Bonn sagt das auch ganz deutlich. „Für den weiträumigen West- Ost-Verkehr langfristig unverzichtbar“, verlautet aus dem Verkehrsministerium. Auf deutsch: Eurotransit durch die Ökohauptstadt; Schwerlastverkehr von Madrid nach Moskau. Denn weil die Schweiz im Jahre 2004 ihre Straßen für den Transit dichtmachen wird, würde die Achse zur ersten Ost-West-Verbindung nördlich der Alpen.
Davor soll weitere Aufklärung bewahren. Denn mancher Freiburger, so erfahren die StraßengegnerInnen regelmäßig an ihren Infoständen, hat die wahre Dimension der geplanten Rennpiste noch gar nicht begriffen. Auch aus diesem Grund hatte das Aktionsbündnis gegen die B31 zwei Wochen vor der Landtagswahl im März in einer Auflage von 130.000 eine eigene Zeitung herausgebracht. Nicht zuletzt als Wahlempfehlung: Die Kandidaten wurden um eine Stellungnahme gebeten. Gegen das Transitmonster sprachen sich erwartungsgemäß nur die Grünen aus – und verbreiterten damit die Basis ihres Erfolges. Bernward Janzing
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