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Vier Sekunden schwerelos für 5.000 Mark

■ Bremer Fallturm eingeweiht / Erste Adresse für kurze Experimente in der Schwerelosigkeit

Er steht. Sie kann fallen. Es darf ausgeklinkt werden.

Bundesforschungsminister Heinz Riesenhuber drückte gestern im Bremer Fallturm auf den berühmten roten Knopf. In 119 Meter Höhe löst sich die Fallkapsel, 80 Zentimeter Durchmesser und 98 Kilo schwer. Saust mit 160 Stundenkilometern durch die Vakuumröhre und landet nach 4,7 Sekunden im Bremsbecken. Eine acht Meter dicke Styroporschicht verhindert, daß die Kapsel beim Aufprall beschädigt wird.

4,7 Sekunden lang herrscht in der Kapsel Schwerelosigkeit. Während sie fällt, läuft in ihrem Innern ein atemberaubendes Experiment. Keramikpartikel, die einem Magnetfeld ausgesetzt sind, bekommen ohne den Einfluß der Schwerkraft eine besondere Anordnung. Die Ausrichtung der einzelnen Teilchen bestimmt die Leitfähigkeit des Stoffes. In diesem Versuch wird die Stromleitfähigkeit von keramischen Material getestet. Je optimaler die Ausrichtung, je geringer der Widerstand.

Riesenhubers Knopfdruck war die offizielle Inbetriebnahme des Bremer Fallturms. Nach drei Jahren Bauzeit kann hier seit gestern der Betrieb aufgenommen werden. Mikro gravitationsforschung heißt das Wissenschaftsfeld, für das der Bremer Turm jetzt weltweit die erste Adresse ist. Hausherr ist das ZARM: das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation. Das ZARM ist ein universitätseigenes Institut des Fachbereichs Produktionstechnik.

Knapp 30 Millionen Mark hat „Bremens neues Wahrzeichen“ (Bürgermeister Wedemeier bei der Eröffnung) gekostet. Bezahlt hat das Land Bremen, das Bundesforschungs-und das Bundesbildungsministerium, sowie die Bremer Firmen MBB/Erno, Krupp-Atlas-Elektronik und OHB-System. Bereits jetzt hat das ZARM eine Anmeldungsliste für 1.200 Versuche. 5.000 Mark müssen die künftigen Nutzer für die 4,7 Sekunden im Durchschnitt bezahlen, eine lächerlich geringe Summe im Vergleich mit Versuchen im Weltall. „Ende des Jahres werden wir eine zweite Schicht einführen“, erklärte ZARM-Leiter Hans Rath. Das Institut muß die geschätzten Betriebskosten des Turms, zwischen eins und zwei Millionen Mark, selbst erwirtschaften. Pro Tag kann die Kapsel nur dreimal auf ihre kurze Reise geschickt werden, jedoch birgt sie Platz für mehrer Versuche gleichzeitig.

„Jeder kann hier seine Experimente in Auftrag geben“, beschrieb Hans Rath den kommenden Kundenkreis. Das Universitätsinstitut will vor allem auch Industriekunden bedienen. Darüber freute sich Forschungsminister Riesenhuber gestern. Bremen erhalte mit 2,7 Prozent seiner Fördergelder einen überdurchschnittlich hohen Anteil. „Jetzt muß der Brückenschlag zur Wirtschaft ausgebaut werden“, lobte der Minister.

Der nächste Schritt in der Entwicklung des Fallturmes soll eine Startvorrichtung werden, mit der es möglich ist, die Experimentierkapsel vom Boden aus in die Spitze des Turmes zu schießen. Dadurch verdoppelt sich der Weg und die Versuchszeit wird auf über 9 Sekunden verlängert. „Wenn wir diese Zeit durch einfaches Fallen erreichen wollten, brauchten wir einen Turm, der 600 Meter hoch ist“, erklärte ZARM-Mitarbeiter Hans-jörg Dittus. Platz für eine unterirdische „Abschußrampe“ wurde bereits ausgespart. 1992 soll sie installiert sein. Markus Daschner

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