piwik no script img

Vier-Mächte-Politik: Von Jalta nach Malta?

■ Bonns US-Botschafter Walters trifft Sowjet-Kollegen in Ost-Berlin / Gaus und Bahr fordern Vier-Mächte-Konferenz

Berlin (ap) - Am Sonntag kam es in Ost-Berlin zu einem ungewöhnlichen Treffen: auf Wunsch der Amerikaner trafen sich in der dortigen Sowjetbotschaft der Botschafter der USA in der Bundesrepublik, Vernon Walters, und der sowjetische Botschafter in der DDR, Wjatscheslaw Kotschemassow. Dies teilte die US-Mission in West-Berlin mit.

Beide Diplomaten hätten in „offener und konstruktiver Atmosphäre“ aktuelle Fragen der „Entwicklung der Lage im Wirkungsbereich des Viermächteabkommens über Berlin“ erörtert. Über die Ergebnisse teilte die US-Mission nichts mit. Einen Tag zuvor hatte der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow in einer Botschaft an US-Präsident George Bush die Bedeutung der Veränderungen hervorgehoben und mitgeteilt, er unterstütze die Maßnahmen der DDR -Führung.

Der anvisierte Gipfel der Supermächte ist durch die rapide Entwicklung in der DDR und ihre Auswirkungen auf Mitteleuropa noch spannender geworden. Geplant ist ein Meeting sowohl auf einem US- wie auf einem UdSSR -Kriegsschiff vor der Küste Maltas am 2. und 3.Dezember dieses Jahres.

George Bush, der am Wochenende damit beschäftigt war, in Dallas eines der unsäglichen Vietnam-Memorials zu enthüllen, meinte, er plane keinen Zwischenaufenthalt in Berlin, „außer es entwickelt sich bis dahin etwas, das die Gegenwart des US -Präsidenten für den Frieden oder die Entwicklung der Demokratie förderlich machte“. Bush weiter: „Ich möchte gern sehen, wenn die Mauer am Boden liegt und nicht nur Löcher hat.“ Bush wiederholte zugleich sein unsägliches Wort, daß sich der Zusammenbruch des Totalitarismus in Europa als „ansteckende Krankheit“ entwickeln solle und auch Kuba, Nicaragua und Panama erreichen möge.

Der SPD-Deutschlandexperte Günter Gaus hat angesichts der dramatischen Entwicklungen in der DDR eine „Deutschland -Konferenz der vier Siegermächte“ zur Erarbeitung neuer Politikkonzepte für Mitteleuropa angeregt. Als ein mögliches Konferenzziel nannte Gaus eine „zentraleuropäische Konföderation“, in der sich das deutsch-deutsche Verhältnis in Ruhe entwickeln könne. Gaus weiter: Im derzeitigen Freudentaumel dürfe nicht vergessen werden, daß gerade jetzt deutschlandpolitische Perspektiven notwendig seien.

Auch der SPD-Abrüstungsexperte Egon Bahr sprach sich für eine Vier-Mächte-Konferenz unter Teilnahme der beiden deutschen Staaten aus. Er fände es richtig, sagte Bahr im Deutschlandfunk, definiert zu bekommen, welche Freiheiten die beiden deutschen Staaten angesichts der Rechte der Siegermächte eigentlich hätten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen