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Archiv-Artikel

Viel zu viele Vorurteile

Im Theaterprojekt „Intifada im Klassenzimmer !?!“ verarbeiten SchülerInnen (bittere) Erfahrungen aus ihrem Leben

Ein Lichtkegel fällt auf den Operationstisch in der Bühnenmitte. Mit flinken Handbewegungen versuchen die Ärzte, ihren Patienten zu retten. Doch der junge Mann auf dem OP-Tisch nimmt eine Auszeit vom wirklichen Leben, erhebt sich engelsgleich. Bis an den Bühnenrand tritt er, faselt von einem Traum und von einem Albtraum. Szenenwechsel: Der herzkranke Karl-Heinz bricht auf dem Schulhof zusammen, als sein Freund Abdullah verhaftet wird; er soll eine Bombe in der Schule gelegt haben.

Karl-Heinz heißt im wirklichen Leben Kevin und ist einer von neun Schülern aus Moabit, die das Stück „Intifada im Klassenzimmer!?!“ aufführen. Die Inszenierung läuft im Rahmen des Jugendtheaterprojektes „Grenzen-Los!“. Dass Kevin wie sein Alter Ego auf der Bühne an einem Herzfehler leidet, ist kein Zufall: In dem Projekt geht es darum, Erfahrungen aus dem Leben zu verarbeiten.

Dazu gehören vor allem aber politische Fragen, denn der Alltag der SchülerInnen mit türkischer, libanesischer, griechischer, italienischer, iranischer und deutscher Herkunft ist heute mehr denn je von Weltpolitik geprägt. Ereignisse wie der 11. September oder die Kopftuchdebatte hinterlassen Spuren. So wechseln sich im Stück Szenen aus dem Schulunterricht mit brutalen Verhören ab.

Plakativ geht es zu auf der Bühne: Da freut sich der Nazi, wenn zwei „Kanaken“ sich kloppen, der Schüler Abdullah bezeichnet sich und seine Freunde spaßeshalber als „islamistische Schläferzelle“. Genau solche Vorurteile wollen die jungen Schauspieler aufzeigen – und reflektieren. „Man muss andere Menschen nur verstehen können und man muss anderen zeigen, wie man selbst lebt, dann gibt es keine Probleme“, sagt der 19-jährige Hassan, ältester Darsteller.

Doch ganz so einfach liegen die Dinge nicht – das hat das Theaterteam selbst erfahren müssen. Ahmed Shah, Leiter des Projektes, erzählt von den Problemen im Vorfeld. „Die weißen Haare habe ich nicht durch die Arbeit mit den Jugendlichen bekommen, sondern durch die Probleme, die die Jugendlichen zu Hause haben. Die leben in Armut, und sie haben große Konflikte mit ihren Eltern, die kein Verständnis für das Theater aufbringen.“ Einige Mädchen hätten ihre Teilnahme wegen des familiären Drucks sogar abbrechen müssen. Auch diese Problematik hat das Theaterteam gleich wieder in das Stück integriert.

Hoffnungsvoll geht es am Ende des Stückes zu. Die Jungen und Mädchen stehen um das Krankenbett von Karl-Heinz und sie sind sich einig: Die Aufregung um die Bombe in der Schule basierte auf Vorurteilen. Um dies zu erkennen, haben sie sich alle ein wenig besser kennen lernen müssen. ANDREA EDLINGER

Weitere Aufführungen: 25. Mai, 11 Uhr, Atze; 27. Mai, 19 Uhr, Atze (Luxemburger Straße, Wedding). 15. Juni, Werkstatt der Kulturen.