Viel zu viele Golfplätze: Qualität hat ein Handicap
Eine Studie prangert den sogenannten Qualitätstourismus auf Mallorca als umweltschädlich an. Ein Gepräch mit Prof. Thomas Schmitt über die Konsequenzen
taz.mag: Herr Schmitt, "Ballermann war besser" lautet der süffige Titel Ihrer Umweltstudie über Mallorca. Massentourismus sei umweltverträglicher als der sogennate Qualitätstourismus. Ist das Ihr Ernst?
THOMAS SCHMITT, 49, Professor der Uni Bochum, publizierte 2007 die Studie "Qualitätstourismus auf Mallorca: Ballermann war besser"
Thomas Schmitt: Ja. Die beiden zentralen Umweltindikatoren Landschafts- und Wasserverbrauch belegen das. Pro Kopf verbraucht der Qualitätsurlauber mehr Landschaft und Wasser als der Ballermanntourist.
Anfang der neunziger Jahre machte die Inselverwaltung eine tourismuspolitische Kehrtwende weg von "Sonne, Sex und Suff" hin zu Qualitätsangeboten. Wie sehen die aus?
Es gibt mehre Formen. Die kritischen sind der Residenzialtourismus, also Zweitwohnsitze, der Golftourismus, für den neue Plätze geschaffen wurden, und der nautische Tourismus mit dem Bau von Jachthäfen. In diesem Umfeld entstehen hochwertige Hotels, Appartements und Restaurants. Dafür werden naturnahe Ökosysteme verbaut und versiegelt, Kiefernwälder, Strauchheiden, Macchie und Mandelbaumkulturen fallen weg.
Warum sind Zweitwohnungen "unter ökologischen Aspekten die aggressivste Form des Tourismus"?
Beim Vergleich von Luftbildern aus den Jahren 1968, 1990 und 2004 sieht man den gewaltigen Flächenverbrauch. Zum Beispiel wurden allein in der Gemeinde Calvia im Südwesten der Insel über 20.000 Zweitwohnsitze gebaut, das sind 60 Prozent aller Wohnungen dort. Dazu kommt der hohe Wasserverbrauch durch die üppigen Gartenflächen, die bewässert und die vielen Poolanlagen, die immer wieder gefüllt werden müssen. Von 1990 bis 2004 stieg in einem Ortsteil von Santa Ponsa die Zahl der Pools von etwa 170 auf weit über 600. Leider haben wir bisher keine ortsteilbezogenen Zahlen über den Wasserbrauch. Aber der Pro-Kopf-Verbrauch ist mit Sicherheit viel höher als bei einem Hotel, wo 200 Gäste nur einen Pool nutzen. Etwa 100.000 Golftouristen pro Jahr tummeln sich auf Mallorcas Greens.
Warum ist Ihnen der Golftourismus ein Dorn im Auge?
Ein Dorn im Auge ist mir die Vielzahl an Golfplätzen auf Mallorca, 19, in einem Trinkwassermangelgebiet. Ein Golfplatz braucht zwischen 60 und 100 Hektar an Fläche. Der tägliche Wasserverbrauch einer Anlage entspricht dem Tagesverbrauch eines Ortes von etwa 8.000 Einwohnern. Zwar sollte für die Bewässerung Brauchwasser genutzt werden, doch zum einen ist die Qualität des Wassers nicht gut genug, zum anderen gibt es im Landesinnern nicht ausreichend Brauchwasser. Hinzu kommt eine intensive hochwertige Bebauung für die Golfer in Form von raumgreifenden Luxusappartements und ein überdimensioniertes Straßennetz wie zum Beispiel in Santa Ponsa.
Als dritte Umweltbedrohung sehen Sie die Jachthäfen. Warum?
Die Molen, die weit ins Meer ragen, führen zu einer veränderten Meeresströmung. In der Folge kommt es dann zu einer teilweise bereits deutlich mess- und sichtbaren Erosion an den Sandstränden.
Sie spielen pauschal den neuen Qualitäts- gegen den alten Massentourismus aus. Aber die Bettenburgen, die die Playa de Palma rund um El Arenal prägen, sind doch gerade ein Synomym für die Landschaftszerstörung der Insel, die so genannte "Balearisierung".
Ja natürlich. Und selbstverständlich sollen nicht die Auswüchse des Massentourismus nachträglich sanktioniert werden. Mein Anliegen ist es, aufzuzeigen, dass die Fehler der massentouristischen Erschließung in den siebziger und achtziger Jahren heute durch den sogenannten Qualitätstourismus, so wie er auf Mallorca betrieben wird, auf einem höheren Prestige- und Preisniveau wiederholt werden. Natürlich ist die Küstenlinie durch den Massentourismus zersiedelt und sind küstennahe Ökosysteme zerstört worden. Die hohen Hotelbauten an der Playa de Palma sind nicht sehr ästhetisch, aber durch diese Konzentration ist der Verbrauch an Fläche viel geringer als durch die vielen Fincas und kleinen Häuser des dezentralisierten Qualitätstourismus, für den immer mehr unberührte Flächen im Hinterland erschlossen werden.
Qualitätstouristen bringen viel mehr Geld auf die Insel als die Quantitätstouristen. Das muss sich doch positiv widerspiegeln.
Nach wirtschaftlichen Analysen 2002 macht der Golftourismus nur zwei Prozent und der nautische Tourismus sechs Prozent am gesamten Einkommen aus dem Tourismus auf den Balearen aus. Außerdem werden die Mehreinnahmen aus dem Qualitätstourismus nicht mit dem Verbrauch an ökologischen Ressourcen gegengerechnet.
Wie kann denn auf Mallorca ein ökologisch sinnvoller Qualitätstourismus aussehen?
Er muss auf eine Selbstbeschränkung ausgerichtet sein. Ein sehr gutes Beispiel ist der Agrotourismus, also Urlaub auf dem Lande, auf durchaus hohem Preisniveau. Man übernachtet in alten renovierten Häusern, für diese Variante ist also kein zusätzlicher Flächenverbrauch nötig. Und es gibt nur ein begrenztes Angebot.
Im März demonstrierten etwa 50.000 Mallorquiner gegen den Bauboom. Laut einer Greenpeace-Studie sind 170.000 Wohnungen und Villen, 21 Golfplätze und fünf Sportboothäfen auf Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera geplant. Das klingt nach einer weiteren Runde Ausbau?
Die Greenpeace-Studie kenne ich nicht. Aber ich weiß von Plänen für weitere Golfplätze und Jachthäfen. Und überall auf der Insel stehen Baukräne. Eine ausreichende Nachfrage nach Immobilien und Zweitwohnsitzen darf bezweifelt werden. Die Bauspekulation blüht dennoch weiter, da viele vom Bauboom profitieren, die Baufirmen großen Einfluss besitzen und eine Menge Schwarzgeld auf die Insel fließt.
Also geht der Landschaftsverbrauch fröhlich weiter.
Ein Bau-Moratorium wäre sinnvoll, um die weitere Erschließung zu stoppen. Aber das halte ich für unrealistisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen