Video der Woche: Wahlkampf mit singendem Eisbären
Von Eisschollen und der „jungen Unjohon“ – die JU und der Grüne Thilo Hoppe singen Selbstgemachtes. Damit wären sie bei den Pfadfindern besser aufgehoben als im Wahlkampf.
Bei einigen Grünen kann sich der Wähler durchaus noch vorstellen, dass sie abends manchmal Anzug und Kostüm gegen Sandalen tauschen – um dann draußen vor dem Lagerfeuer zu sitzen und zu singen. Sie grillen Stockbrot und einer spielt dazu die Klampfe.
Zu diesem Traum von grüner Harmonie hat jetzt Thilo Hoppe, grünes Bundestagsmitglied, die passende Musik geschrieben. Das "Lied des Eisbären" ist eine lauwarme Ode an die grünen Ziele: Weg mit Atomstrom, her mit erneuerbaren Energien. "Prima Klima gibt’s nicht mehr, stöhnt am Polar der weiße Bär. Seht wie ich schwitz, ich armes Tier, denn es wird immer wärmer hier", singt Thilo Hoppe, die bärtige Stimme des Eisbären.
Momentan sind solche kreativen Auswüchse im Wahlkampf ja in, Hauptsache die pfiffige Idee lässt sich per Netz verbreiten. Selbst wenn das Eisbär-Lied nicht ganz den persönlichen Musikgeschmack trifft, muss man Thilo Hoppe jedoch lassen, dass er mit der Musik eine Position vertritt.
Die Junge Union wirbt dieser Tage schließlich auch mit ihrer ganz persönlichen Wahlkampfhymne, die keinen Standpunkt zu vertreten scheint. Halt, eine zentrale Aussage hat das Lied ja: "Wir sind Deutschlands Nummer eins, für Freiheit und Gerechtigkeit." Das ist so simple Wahlkampf-Propaganda, dass man an Satire glauben möchte. Ganz abgesehen vom dilettantisch gemachten Video und dem vaterlandsbegeistertem Text.
Außerdem scheint sich die CDU noch nicht so sicher zu sein, worin sie jetzt Nummer eins ist. Schließlich spricht zum Beispiel die Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, bekannt durch ihr Busen-Wahlplakat, auf ihrer Homepage von "Freiheit und Fairness statt Gleichheit und Gerechtigkeit." Will die CDU jetzt also Gerechtigkeit, oder wollen das nur die Nachwuchs-Merkels? Vielleicht sollten die Internet-Wahlkämpfer das mal auf Twitter oder Facebook ausdiskutieren.
Insgesamt bleibt das Video der JU so abschreckend, dass es wohl nur genau die Klientel begeistern wird, die auch auf den verschwommenen Bildern zu sehen ist. Nicht mehr wirklich junge Leute, die sowieso schon schwarz wählen und für die Spaß bedeutet, "die junge Unjohon ist die Misjohon" zu brüllen. Cool ist was anderes. Mitgliederwerbung auch.
Das Gefühl des Fremdschämens kann einen natürlich auch beim Eisbären-Lied an mancher Stelle überkommen. Wenn Thilo Hoppe das Wahlkampf nennt, so sollte man ihm das Mikro wegnehmen. Denn wer für Atomstrom und gegen die grünen Ideen ist, wird das Video weder süß noch interessant finden. Um Atom- und Kohlebefürworter umzustimmen, wären im Wahlkampf da eher Argumente angebracht als Hymnen über Eisbären. Solange Hoppe die kleine Sache mit den Fakten nicht vergisst, sollte man ihm das Singen aber nicht missgönnen.
Schließlich können jetzt alle Klimaschützer beim Gang zur Urne auch noch den passenden Song zum besten geben. Und vielleicht lässt sich vom Eisbären-Lied doch noch der ein oder andere für grünes Engagement überzeugen. Wenn das dann allerdings nur am Niedlichkeitsfaktor des dicken Bären im Video liegt, wäre das ein zweifelhafter Erfolg.
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