Video der Woche – Brett Domino: Per Medley zur neuen Coolness
Wer coole Rampensau sein will, der lerne von Michael Jackson. Oder er minimiere seine Ausdrucksform radikal, übe sich in kraftwerkesquer Uniformität und mache ein Timberlake-Medley.
HAMBURG taz | Steve Bay, der Sänger der kanadischen Rockformation Hot Hot Heat, hat kürzlich in einem Interview gesagt, dass ein wichtiger Schlüsselmoment für seine Rockstarlaufbahn eine Schulveranstaltung gewesen sei, bei der er Posen zu Michael Jacksons „Bad“ gemacht habe. Früh übt sich, was eine coole Rampensau werden will – was Steve Bay mittlerweile zweifelsohne ist.
Eine Band, die sich auch dem Repertoire Michael Jacksons angenommen hat, um erste musikalische Gehversuche zu machen, ist das Brett Domino Trio – drei unauffällig wirkende Mittzwanziger, die auf elektronischen Keyboards spielen und aus Leeds in Großbritannien kommen.
Style-technisch haben sie allerdings absolut gar nichts mit den coolen Newrockern von Hot Hot Hot Heat gemein. Wenn überhaupt „Hot“, dann schon eher Hot Chip. Die Elektrofrickler aus London haben unter anderem gezeigt, dass nerdiges Computerfreaktum durchaus bühnenkompatibel sein kann.
So hat also auch das Brett Domino Trio ihre „Ich bin technisch interessiert und trage deswegen was eben im Schrank ist“-Gaderobe aus der Altkleiderkammer geholt, die Kassenbrille aufgesetzt, den Nicht-Haarschnitt noch mal zurecht gezupft und sich mit einer Coverversion von „Beat it“ bei der „Britain's Got Talent“-Show beworben.
“Who do you wanna be as successfull as in the next five years” wurden sie dort gefragt. “Bonnie Tailor or Gary Numan!” haben sie geantwortet. Und haben den Saal mit ihrer puristischen Version von „Beat it“ zum Ausflippen gebracht.
Selbst standen die Drei dabei fast bewegungslos auf der Bühne, die ja, sowohl bei Casting Shows als auch bei Michael Jackson, der eigentliche Ort der Bewegung ist. Bei Brett Domino und seinen beiden Kumpels beschränkt sich diese jedoch in der Regel auf das regelmäßige Hochrücken der schlecht sitzenden Brille.
Leider hat es dann auch nicht für einen Sieg gereicht. So mussten die Musiker zurück in ihre alten Jobs: Regalbefüller und Telefonist bei einem Marktforschungsinstitut. Immerhin einer hat seine Arbeit gekündigt, um ab sofort die zahlreichen Fan-Emails zu beantworten.
Es scheint den Herren aus Leeds Spaß zu machen, sich möglichst große Gegensätze zu ihnen auszugucken, deren Werk zu interpretieren und als Video auf Youtube zu veröffentlichen. So haben sich zwei der drei Justin Timberlake vorgeknöpft und zwar in einer Präsentationsform, die eigentlich genauso angesagt ist, wie ihre Kassenbrillen: dem Medley.
Doch das Timberlake-Video setzt sich ganz klar von der Trash-Ästhetik anderer Beiträge ab. Da wäre zunächst der Klamotten-Style: Herrschten bei dem Talentwettbewerb noch gezielt eingesetzte modische Indifferenz und Willkür, so wird nun mit einer schon kraftwerkesquen Uniformität gespielt. Zudem wird mit einer Bildaufteilungsoptik gearbeitet, die ohne weiteres von den Beastie Boys stammen könnte.
Last not least zeigen sich die Musiker als wahre Multi-Instrumentalisten: Stylophone, iPhone, Tröte, Ukulele, Blockflöte, Kuhglocke – alles wird virtuos anmutend und auf den Punkt arrangiert eingesetzt. Auch die altbekannte E-Gitarren-Orgel kommt gen Ende zum Einsatz, in einem opulenten Showdown, den Daft Punk nicht dramatischer hinbekommen hätten. Und das alles in der gewohnten Geste der Gefühllosigkeit performt.
Selbst bei besonders hohen Gesangseinsätzen, die auch in der Brett Domino Interpretation an Justin Timberlakes Timbre heranreichen, wird nur die nötigste Miene verzogen. Ein gelungenes Werk, wie offensichtlich auch Justin Timberlake findet – er hat den Youtube-Beitrag immerhin auf seiner Seite verlinkt.
Vielleicht wird es ja jetzt doch noch was mit der Karriere, für Bonnie Tailor oder Gary Numan wird es wohl nicht reichen, aber wie wärs denn mit Brett Domino als uncoole Ausgabe von Steve Bay. Das wär doch cool!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!