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Archiv-Artikel

VfL klingt wie CDU

Warum das 1:1 des VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC zu einer klassischen „Ja, aber...“-Diskussion führt und Trainer Augenthaler nur wenige neue Erkenntnisse liefert, wie man den unteren Tabellenbereich wieder verlassen kann. Deshalb will er arbeiten lassen – ausgerechnet in Golftown

aus Wolfsburg von Peter Unfried

Als Diego Fernando Klimowicz das 1:1 seines VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC Berlin analysierte, war das meist gebrauchte Wort „aber“. In der zweiten Halbzeit habe man „alles gemacht, aber...“ Klar sei das diesmal viel besser als unter der Woche beim 0:4 in Leverkusen gewesen, „aber...“ „Fünf oder zehn Chancen“ habe man gehabt, „aber“. Das Aber-Gewitter kam nicht nur daher, dass der argentinische Stürmer nicht besonders gut Deutsch spricht und die Sätze gern mit diesem Wort abbricht. Nein: Dieses 1:1 war wirklich ein klassisches „Ja, aber“-Spiel.

Wolfsburg hatte eines seiner besseren Spiele in dieser Saison gemacht, den Gegner weitgehend dominiert, zeitweise gar Kombinationsfußball probiert und sich redlich Chancen und Überzahl nach zwei roten Karten gegen Malik Fathi (54.) und Arne Friedrich (78.) erarbeitet. Aber: in einem zwanzigminütigen Powerplay gegen neun Herthaner nicht den Siegtreffer herausgespielt, weshalb man weiter in Sichtweite der Abstiegsplätze rangiert (13.). Die Defensive? Hatte nach Trainer Klaus Augenthalers Vorstellungen „gefightet“ und mit den Grätschen der Niederländer Kevin Hofland und Tom van der Leegte physische Dominanz erobert. Aber: Da war dieser Black-out von Mike Franz oder wie der es nannte: „Dieses Mißverständnis, wo ich der Ausgangspunkt war.“

Franz, kurzfristig für den verletzten Facundo Quiroga in die Innenverteidigung gerückt, hatte unmotiviert einen Fehlpass nach hinten gespielt. Im Bestreben den Fehler auszubügeln, verursachte Keeper Jentzsch gegen Fathi einen Strafstoß, den Marcelinho zum 0:1 verwandelte (32.).

Stürmer Mike Hanke? Malochte 90 Minuten, verarbeitete unzählige Bälle, kam zu einer ganzen Reihe Chancen. Aber: Schoß kein Tor. „Einstellung und Kampf waren in Ordnung“, sagte Hanke. Aber? „Bei den vielen Torchancen hätten wir gewinnen müssen.“ Er selbst, sagte Hanke, sei „zweimal schon am Jubeln“ gewesen. Bei einem Kopfball (25.), einem raffinierten 18m-Schuss (34.) Aber? „Der Fiedler hat die Bälle sensationell herausgeholt.“ Tatsächlich hatte Hertha-Keeper Christian Fiedler nach zweiwöchiger Verletzungspause „zwei-, dreimal Weltklasse gehalten“, wie auch VfL-Trainer Augenthaler befand. Aber: Bei Hoflands Ausgleich (63.) war er unter Karhans Freistoß durchgetaucht. Sowohl Augenthaler als auch Hertha-Trainer Falko Götz waren in der Nachbereitung des Spiels bemüht, das „Ja“ in den Vordergrund zu stellen, das „aber“ eher nach hinten zu rücken. Die Profis sowieso. Doch wenn man ein „Ja, aber“ konsequent und ehrlich zu Ende denkt, bleibt kein „Ja“ übrig, sondern ein „aber“. Zum Beispiel: Hat Keeper Fiedler eben nicht Weltklasse gehalten, wenn er einen spielentscheidenden Fehler gemacht hat. Und Hertha hat zwar mit zehn und neun Mann das 1:1 verteidigt, wirkte aber davor schon wie das personifizierte Mittelmaß.

Was den VfL betrifft, so hat er kein gutes Spiel gemacht, wenn er gegen neun Herthaner nicht das Siegtor herauskombinieren kann. Es sei „schwierig gegen neun Mann“, sagte Hanke, „weil die alle hintendrin stehen“. Stimmt: Aber bestimmt nicht schwieriger als gegen elf Mann, die vorher auch fast alle hintendrin standen. Auch wurde man Eindruck nicht los, dass der VfL nicht die Herthaner müde spielte, sondern durch ständiges Insistieren auf die rechte Seite seine besten Angreifer Juan Carlos Mensequez und eben Hanke. Dennoch hat die Überzahlsituation 11 gegen 10 und später 11 gegen 9 dem Spiel eine Spannung und auch eine Unterhaltungsqualität gegeben, für die ein in letzter Zeit nicht eben verwöhnter Stadionbesucher dankbar gewesen sein wird.

„Erst die Arbeit“ ist übrigens der neue Marketingslogan, der Augenthalers Wirken definieren soll. Das klingt ein bisschen nach CDU (“Vorfahrt für Arbeit“), aber auch ein bisschen zynisch an einem Wochenende, da der VfL-Besitzer Volkswagen Milliardengewinn meldet und gleichzeitig den Abbau tausender Arbeitsplätze ankündigt. Auch Augenthalers Profis kämpfen längst um ihre Arbeitsplätze, müssen dem Trainer beweisen, ob ihr „Herz für den VfL schlägt“. Für diesmal aber zählt, wie gesagt, das Positive, das ist die Reaktion auf das 0:4, das „Debakel“ (Hanke) von Leverkusen, die halb wiederbelebte Offensive und der speziell durch den Neuzugang von der Leegte verstärkte Punch des Teams. Augenthalers vorläufige Bilanz: Vier Spiele, vier Punkte. Nicht ganz schlecht, aber: Damit wurde er in Leverkusen entlassen.