VfL Wolfsburg gegen 1. FC Kaiserslautern: In zehn Wölfen steckt mehr Leben
Der Streit nach dem 1:0-Sieg von VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Kaiserslautern: Ist Felix Magaths durchgewürfeltes Team auf einem gutem Weg - oder eher nicht?
WOLFSBURG taz |Es wird in der Geschichte der Menschheit schon schlechtere Fußballspiele gegeben haben als das 1:0 des VfL Wolfsburg gegen den 1. FC Kaiserslautern. Aber vermutlich nicht viele. Zwei Teams organisierten ihre Defensive - und sonst nicht viel. Aus Wolfsburger Sicht kann man aber auch daraus noch eine Heldengeschichte stricken, da man nach Kyrgiakos berechtigtem Platzverweis (45.) in Unterzahl noch zum Siegtor durch Ashkan Dejagah kam (63.).
Das spricht für den VfL - oder gegen Kaiserslautern, das auch in Überzahl seine Abwehr pflegte statt ins Risiko zu gehen und die Wölfe hin und her zu jagen, bis sich eine Lücke aufgetan hätte. "Wir können halt mehr das Verteidigen, es fällt uns schwer, Löcher zu reißen", sagte der Lauterer Kapitän Christian Tiffert hinterher nüchtern. Tiffert war im Grunde der einzige Spieler auf dem Platz mit dem Potenzial, eine Offensive zu organisieren, eine Überraschung zu kreieren.
Bei Felix Magaths VfL Wolfsburg drängt sich der Eindruck auf, dass Innenverteidiger Madlung die Spielgestaltung übernehmen soll oder muss. Die einstmals geächteten Madlung-Flugbälle sind derzeit die gefährlichste Variante der Spieleröffnung. Obwohl, stimmt nicht ganz: Es gibt noch die Option, dass Linksverteidiger Marcel Schäfer die Grundlinie erreicht, was zu Dejagahs Siegtreffer führte.
Ein "Ausrufezeichen" nannte Madlung den Sieg. Ach was, befand FCK-Kapitän Tiffert: Wolfsburg sei doch im Grunde vor dem Wechsel und zu elft "mausetot" gewesen und trotz "zehnfachen Personaletats" von einem Team dominiert, für das es im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg einzig um den Klassenerhalt geht und um sonst gar nichts. Mit so was kommt er bei Felix Magath an den Richtigen: "Mir ist es egal, was der Christian Tiffert sieht", sagte der Geschäftsführer, Manager und Trainer.
Und wie immer, wenn man ihm kritisch kommt, rührt er dann erst mal im Tee, damit Feingeist in den Raum wehen kann. Dann senkt er die Stimme und sagt: "Schauen Sie." Dann erklärt er, warum er so viele Spieler kauft und dann testet. Weil er einen Umbau vornehmen muss, nachdem man ja im Vorjahr fast abgestiegen wäre. Weil man eben keine funktionierende Mannschaft hatte. Und dieser Umbau soll auch noch schnell gehen, so wollen es die Klubbesitzer von Volkswagen. Also wirft er Spieler rein und raus. Manche vorübergehend wie den unlängst vom Mannschaftstraining ausgeschlossenen Nationalspieler Patrick Helmes, der diesmal bis zu Kyrgiakos Platzverweis mitmachen durfte, allerdings auf der für ihn schwierigen Zehner-Position, auf der er nichts zuwege brachte.
Arne Friedrich war schon gar nicht mehr da. Der herausragende Defensivspieler der WM 2010 hatte in der vergangenen Woche seinen Vertrag beim VfL Wolfsburg aufgelöst - und das eigeninitiativ. Offenbar konnte der langjährige Nationalspieler nach einer Verletzung nicht mehr von einer sportlichen Perspektive ausgehen, nachdem Magath ihn seit Wiedereinstieg ins Training in die U 23 des VfL beordert hatte - und gleichzeitig jede Menge Innenverteidiger verpflichtete, die man bisher nicht in Friedrichs Niveauklasse verortet hatte. Noch ist unklar, was Friedrich wirklich zum Ausstieg bewegt hat, da er sich bisher nicht äußern will. Deutlich spürbar ist allerdings, dass Magath mit seiner Art zu arbeiten inzwischen sogar in Wolfsburg irritiert, wo man ihn ja kennt und schätzt.
"Menschlichkeit" wird in diesen Tagen deutlich stärker nachgefragt, da der Trainerkollege Rangnick sich mental erschöpft zurückziehen musste und davor schon Hannovers Profi Markus Miller. Es ist ein Fortschritt, dass so etwas mittlerweile möglich ist. Aber im Fußball ist es andererseits so, dass sich der Schrei nach Moral in der Regel umgekehrt proportional zum Punktestand verhält. Heißt: Je öfter Magath gewinnt, desto weniger wird seine Arbeitsweise kritisiert werden.
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