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■ Verwest oder nicht? Zoff um die Auferstehung JesuSkandal im göttlichen Sperrbezirk

Düsseldorf (taz) – Ein Buch wirft seine Schatten voraus. Dabei ist es noch gar nicht erschienen. Doch die vorab verlautbarten Thesen seines Verfassers haben ausgereicht, die fromme Christenheit in helle Empörung zu stürzen. Behauptet der Göttinger Theologe Gerd Lüdemann doch allen Ernstes, Jesus sei nach seinem Tode gar nicht leiblich auferstanden, sondern ganz normal im Grab verwest, sozusagen wie du und ich. Dies, so der evangelisch-lutherische Professor, ergebe sich aus seinen historischen und tiefenpsychologischen Analysen der ältesten Schriften des Neuen Testaments (siehe „Die Auferstehung Jesu – Historie, Erfahrung, Theologie“, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, im März erscheinend).

Statt eines allgemeinen Lächelns ob seines gutgemeinten Forscherfleißes und kalten Kaffees dazu erntet der Göttinger Gottesfledderer nun einen Sturm des Protestes. Fromme Heerscharen legen sich für die Auferstehung, die ganz und gar buchstäbliche, ins Zeug. Ein Blatt wie die Rheinische Post wird von Leserbriefen überschwemmt und druckt ab, was die Schwärze hergibt. Nicht die Gräberfelder von Sarajevo, nicht die Wundmale gekillter brasilianischer Straßenkids oder die unaufhaltsame politische Grablegung Helmut Kohls bilden das Thema Nummer eins, sondern ob und wie der Nazarener vor knapp zweitausend Jahren entfleucht sei.

Wir wollen unseren guten alten Wunderglauben behalten, schallt es fast einmündig in der Zeitung für Politik und christliche Kultur (Untertitel). Lüdemann wird mit einem Sperrfeuer fundamentalistischer Flüche bedacht – „Irrlehre“, „unappetitlich“ – und als „der Antichrist“ enttarnt, der schleunigst aus der Kirche fliegen muß. Unisono wird dem Theologen auch eben die Bibel um die Ohren gehauen, die er doch ein wenig zu interpretieren wagte, namentlich der erste Korintherbrief von Paulus, wo es heißt: „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergebens, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ Die listige Wenn- dann-Formel des alten Strategen verdichtet sich bei denen, die sie ins Feld führen, unversehens zu einem Auferstehungsbeweis, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Zur Bekräftigung reichert Leser Ulrich S. aus Duisburg-Neudorf das Paulus-Diktum eigenmächtig mit dem Wörtchen „leiblich“ an, was dagegen Rudolf H. aus Kleve nicht nötig hat, weil er die Auferstehung Jesu ohnehin „selbst in seinem Leben erfahren hat“. Das ist wiederum Stephan D. aus Mönchengladbach zu wenig, weswegen er mit einem pfiffigen Kriminalbeweis aufwartet: Wäre Jesus nicht auferstanden, so hätten seine Gegner den Leichnam öffentlich gezeigt, um das Christentum sofort im Keim zu ersticken; daß sie es nicht taten, beweist: Das Grab war leer, der Vogel ausgeflogen. Schützenhilfe besonderer Art für die Auferstehungsfetischisten kommt von Dr. Hubertus B., Düsseldorf. Die Parapsychologie, schreibt er, kenne genug Beispiele der „Materialisation“ Verstorbener. Bei spiritistischen Séancen seien sie den Teilnehmern durchaus als Menschen „von Fleisch und Blut“ erschienen – warum also nicht auch Jesus seinen Jüngern? Haken an der Sache: Dann wäre Christi Auferstehung gar nichts Einmaliges.

Die Verwirrung wird auch durch Rudi B. aus Mönchengladbach nicht gerade geringer, der zwischen „leiblicher“ und „körperlicher“ Auferstehung unterschieden wissen will und bloß an erstere glaubt. Kein Wunder, daß die 86jährige Wermelskirchener Leserin Elisabeth W. aus dem heillosen Tohuwabohu nur noch einen Schluß ziehen kann, daß nämlich die „Endzeit auf 2.000 hin“ angebrochen sei. Wer wollte das bezweifeln? Olaf Cless

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