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Vertrauen ist gut

Kurz vor Karnevalsbeginn verliert der 1. FC Köln auch auf Schalke mit 3:1. Trainer Lienen darf dennoch bleiben

SCHALKE taz ■ Oft sind es nur die winzigen, kleinen Unwägbarkeiten, die jede taktische Spielerei überflüssig machen und die Planbarkeit eines Fußballspiels negieren. Die Sekundenbruchteile, die im Fußball über Sieg oder Niederlage entscheiden können – oder schlimmer: über den Arbeitsplatz des Trainers. Wenn man dann, wie etwa Ewald Lienen, auch noch beim 1. FC Köln angestellt ist, kann es derzeit durchaus vorkommen, dass einem alles Schlechte dieser Fußballwelt auf einmal, binnen weniger Minuten, widerfährt. So geschehen am Samstag beim Spiel in der Arena auf Schalke, als die Spieler des FC sich mit ihren im Vergleich zum Gegner relativ bescheidenen spielerischen Mitteln akribisch an das taktische Konzept ihres Trainers hielten, eine kämpferisch überzeugende Leistung ablieferten – und sich am Ende dennoch die sechste Niederlage in Folge abholten, was Vereinsrekord bedeutet.

Wo jetzt der Knackpunkt für die Niederlage genau lag, vermochte hinterher keiner so recht zu sagen. War es der völlig überzogene Platzverweis in der 34. Minute, den der überforderte Schiedsrichter Lutz Wagner gegenüber dem Kölner Matthias Scherz aussprach? Oder war es doch der Ausgleich durch Ebbe Sand, fast mit dem Halbzeitpfiff. Wahrscheinlich war es beides.

Jedenfalls deutete sich spätestens mit Beginn der zweiten Halbzeit an, dass sich der enorme Kraftaufwand, den die Kölner vor allem in der Defensive betrieben, nicht rechnen würde. Die zahlenmäßige Überlegenheit der Gastgeber setzte sich nun fast zwangsläufig durch: Andreas Möller mit einer wunderbaren Einzelaktion sowie Gerald Asamoah, der einen Schuss von Sand abfälschte, sorgten für die Entscheidung.

Dass die Niederlage am Ende durchaus verdient war, konnte und wollte auf Kölner Seite niemand bestreiten. Offensivaktionen fanden in der zweiten Halbzeit kaum noch statt. Der Kölner Catenaccio wurde 30 Meter vor dem eigenen Tor aufgebaut. Schadensbegrenzung war angesagt. Da passte es ins Bild, dass der eingewechselte Georgi Donkow bereits nach wenigen Minuten mit einer Platzwunde am Kopf ausschied und die Mannschaft in der letzten Viertelstunde ohne gelernten Stürmer auskommen musste.

Dennoch erklärte ein entschlossener Ewald Lienen hinterher kämpferisch: „Die Mannschaft hat immer gezeigt, dass sie wollte. Auf dieser Leistung können wir aufbauen.“ Auch Torhüter Markus Pröll lobte seine „aufopferungsvoll kämpfenden Teamkollegen, die immer für den Trainer spielen“. Und auch die Fans feierten ihren Trainer vor und nach dem Spiel lautstark. Selbst das Vertrauen von Präsident Caspers in Lienens Fähigkeiten ist laut eigenem Bekunden „unendlich“ –und Manager Hannes Linßen sah beim Spiel auf Schalke „viele Ansätze zur Besserung“. Im Internetforum des traditionell nicht gerade trainerfreundlichen Kölner Express besitzt Ewald Lienen immerhin noch eine satte Zweidrittelmehrheit.

So viel Zustimmung macht misstrauisch. Vor allem, wenn die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz steht. Doch wer ist nun schuld an der Misere? Seit Wochen müssen sich die Verantwortlichen mit dem Totschlagargument der heimischen Presse auseinander setzen, Ewald Lienen könne eine Erstligamannschaft nur eine Saison erfolgreich trainieren. Etwa nichts gelernt aus der Geschichte? Duisburg und Rostock lassen grüßen. Wahrscheinlich sind die Gründe für den Absturz des letztjährigen Überraschungsteams aber auch einfach so banal, dass sie niemand bemerken will. Mit Christian Timm und Kapitän Dirk Lottner fehlen momentan die überragenden Spieler der letzten beiden Jahre. Neueinkäufe wie Jörg Reeb sind nur Mitläufer oder im Falle Marco Reich nicht einmal das. Geld für Verstärkungen ist nicht vorhanden. Das Übliche halt. Vereine wie der 1. FC Köln haben nicht die Substanz derartige Probleme aufzufangen. Das klingt unspektakulär, ist aber wahr. Nächste Woche beginnt in Köln übrigens der Karneval. Eine Woche später kommt Leverkusen. Zeit für einen Neuanfang. Oft sind es die kleinen Dinge, die am Ende über Abstieg oder Klassenerhalt entscheiden.

HOLGER PAULER

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