Vertragslaufzeit und Kündigung: (Nicht) bis in alle Ewigkeit

Die Kündigungsfrist für viele Verträge wird auf einen Monat verkürzt. Das gilt aber nur für Neuverträge ab März 2022 – für Handy- und Telefonverträge jedoch schon ab sofort.

Foto: Christoph Soeder / dpa / picture-alliance

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet“, dichtete Friedrich Schiller einst – und fügte hinzu: „Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ Das klingt fast so, als hätte schon Schiller Stress mit Knebelverträgen für Fitness-Studios, den Stromlieferanten oder dem Handy-Anbieter gehabt.

Doch all das gab es zu Zeiten des Weimarer Freigeists noch nicht. Und so richtig eskaliert ist die Situation erst im Internet-Zeitalter: Für den Abschluss von Verträgen reichten einige Mausklicks, der Ausstieg dagegen wurde den Konsument:innen so schwer wie möglich gemacht. Beliebtester Trick: Vertragslaufzeiten von zwei Jahren, die sich automatisch verlängern, wenn man nicht Monate vorher rechtzeitig daran denkt, ein Kündigungsschreiben aufzusetzen.

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Gefangen in der Vertragsschleife

Wer daran scheitert, ist immerhin nicht allein: Bei einer repräsentativen Forsa-Umfrage gab im Jahr 2020 ein Viertel der Teilnehmer:innen an, in letzter Zeit ungewollt in einer Vertragsschleife fest zu hängen. Die am häufigsten davon betroffenen Branchen: Telekommunikation, Fitnessstudios, Streaming-Dienstleistungen sowie Energie. Beachtlich auch der dadurch entstandene, durchschnittliche finanzielle Schaden – er lag bei 334 Euro pro Person.

Doch selbst wer fristgerecht ans Kündigungsschreiben dachte, scheiterte bisher oft daran, dass auf der Website keine Adresse zu finden war, an die man den klassischen Dreizeiler „Hallo, ich kündige, mit freundlichen Grüßen“ schicken konnte. Von einer einfachen elektronischen Kündigungsmöglichkeit mal ganz zu schweigen.

Verbraucherschützer:innen hielten diesen Zustand schon lange für skandalös, und selbst die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärte dazu im Sommer 2021: „Lange Vertragslaufzeiten und lange Kündigungsfristen beschränken die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher und hindern sie an einem Wechsel zu attraktiveren und preisgünstigeren Angeboten.“

Gesetzesänderungen bereits beschlossen

Zu diesem Moment war aber auch schon Abhilfe in Sicht: Denn im Juni dieses Jahres hatte der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der GroKo ein ganzes Paket von Gesetzesänderungen beschlossen, die unter anderem die Vorschriften zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Bürgerlichen Gesetzbuch, Abschnitte im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und im Energiewirtschaftsgesetz betrafen. Das mit dem Label „Faire Verbraucherverträge-Gesetz“ versehene Paket verkürzt die Kündigungsfrist in Zukunft auf einen Monat, und erlaubt nur noch automatische Verlängerungen auf unbestimmte Zeit.

Auch wer den regulären Kündigungstermin – zum Beispiel nach 11 oder 23 Monaten – verpasst, kann dann einfach einen Monat später aus dem Vertrag herauskommen, statt wieder jahrelang warten zu müssen. Doch Vorsicht: diese Regelung für Kündigungs-Vergesser:innen gilt erst für Verträge, die ab dem 1. März 2022 abgeschlossen wurden. Zudem sind manche Branchen ausgenommen, insbesondere etwa Versicherungsverträge.

Längere Vertragslaufzeiten, etwa 24 Monate für Neukund:innen, werden zudem unattraktiver, weil parallel auch Einjahresverträge anzubieten sind, die maximal 25 Prozent teurer sein dürfen als die längerfristigen Modelle. Auch bei Anschlussverträgen darf die Erhöhung nicht mehr als 25 Prozent betragen. Aber immerhin: Im Telekommunikationsbereich, also bei Handy- und Telefonverträgen, gelten die neuen Kündigungsfristen bereits seit dem 1. Dezember 2021.

Ausdrückliche Einwilligung und Schriftform erforderlich

Auf dem Strom- und Gasmarkt war es bisher oft auch üblich, mit aggressivem Telefonmarketing die Verbraucher:innen zum Wechsel zu motivieren, und den Vertrag gleich telefonisch abzuschließen. Dazu genügte es schon, an der entscheidenden Stelle im Gespräch „Ja“ zu sagen. Auch solchen Fallen wird mit der neuen Gesetzgebung nun ein Riegel vorgeschoben. Denn bei Lieferverträgen für Strom und Gas ist seit dem 1. Oktober 2021 die Schriftform erforderlich, wobei von Brief, Fax oder E-Mail bis hin zur SMS alles erlaubt ist, was in Buchstabenform daher kommt.

Auch andere Branchen werden es von nun ab aber schwerer haben, die „Kaltakquise“ am Telefon zu betreiben. Denn dazu muss eine ausdrückliche Einwilligung des Verbrauchers vorliegen, die dokumentiert und fünf Jahre aufbewahrt werden muss, damit sie bei einer Kontrolle vorgezeigt werden kann. Ansonsten drohen den Anbietern Bußgelder bis zu einer Höhe von 50.000 Euro.

Kündigung per Klick im Netz

Bis zum 1. Juli 2022 haben Unternehmen übrigens Zeit, eine besonders benutzerfreundliche Änderung in Sachen Kündigungsmanagement technisch umzusetzen: die sogenannte „Kündigungsschaltfläche“ mit der Aufschrift „Vertrag jetzt kündigen“. Überall im Web, wo man Verträge online per Mausklick abschließen kann, muss dann auch ein Kündigungsbutton gut sichtbar angezeigt werden.

Damit sich am Ende niemand herausreden kann, muss zugleich auch umgehend eine Kündigungsbestätigung in elektronischer Form, also etwa per E-Mail, verschickt werden, in der Datum und Uhrzeit vermerkt sind. Juristen können somit in Zukunft davon ausgehen, dass dem Unternehmen die Kündigung genau zu diesem Zeitpunkt zugegangen ist.

Einige Forderungen bleiben unerfüllt

Die Servicewüste Deutschland, so könnte man zusammenfassen, wird also Schritt für Schritt um einige Oasen reicher. Ver­brau­cher­schüt­ze­r:in­nen sind aber wohl zu recht noch nicht zufrieden. Denn wichtige Forderungen bleiben unerfüllt – vor allem die nach branchenübergreifenden Lösungen. Während Gas- und Stromanbietern keine Verträge mehr am Telefon abschließen dürfen, ist dies anderswo auch weiter erlaubt. Eine generelles 12-Monats-Limit für Vertragslaufzeiten bleibt ebenfalls noch Zukunftsmusik. Einen weiteren Fallstrick bergen zudem Verträge, die in Ladengeschäften abgeschlossen werden – hier könnte eine 14-tägige Widerspruchsfrist die Position der Kunden deutlich stärken.

Dieser Text erscheint im taz Thema Recht, Ausgabe Dezember 2021, Redaktion: Ole Schulz. Frühere Ausgaben des taz Themas Recht können Sie hier nachlesen.

Ansgar Warner ist freier Journalist in Berlin. Er arbeitet vor allem zu Themen rund um Medienwandel und Mediengeschichte.