: Verstehen Sie Ernst?
Auch wenn Frank Elstner heute das runde Jubiläum feiert: „Verstehen Sie Spaß?“ hat sich nach 100 Folgen längst überlebt (Sa., 20.15 Uhr, ARD)
VON CLEMENS NIEDENTHAL
Fun sei ein Stahlbad, formulierte es einmal die adornitische Kulturkritik. Spaß sei eine Schrottpresse, praktizierte es einmal der öffentlich-rechtliche Samstagabend. Ein Auto wurde da lustvoll deformiert – eine der wenigen anarchisch-archaischen Momente, die sich „Verstehen Sie Spaß?“ in seinen nunmehr 100 Folgen gönnen durfte.
Weil aber die bürgerliche Gesellschaft den Besitzstand wahrt, wurde dem so zu nahe getretenen Wagenlenker gleich ein neuer Pkw beschert. Der kollektive Spaß für die Fernsehzuschauer, inszeniert als individuelle Prüfung eines Einzelnen, für den am Ende – und das wusste auch die RTL-Dschungel-Show – eine saftige Belohnung wartet. Womit das „Verstehen Sie Spaß?“-Dilemma schon umrissen wäre: Viele Elemente des Show-Dinosauriers haben Fernsehgeschichte geschrieben. Nur eben nicht mehr bei „Verstehen Sie Spaß?“
Ein Beispiel: Während über Hape Kerkelings Maskeraden-Mätzchen die Welt lachte, lachten über „Verstehen Sie Spaß?“ zwischenzeitlich nicht einmal mehr fünf Millionen Zuschauer. Und es hätte nicht viel gefehlt, da wäre die Show mit der versteckten Kamera gar zum Stolperstein einer Karriere geworden: Harald Schmidt wirkte am ARD-Samstagabend dermaßen deplatziert, dass er um die große Jubiläumsshow einen noch größeren Bogen macht. Alle anderen Exmoderatoren hingegen werden heute Abend eine gute Miene machen: Paolaundkurtfelix, der Didi und der Cherno Jobatey.
Und natürlich Frank Elstner, auf dessen Schultern das ganze Gewicht einer in den Sand gesetzten Sendung lastet. Soll sein Silberscheitel doch symbolisieren, wovon die Show längst nicht mehr erzählt – von der großen, Gesellschaft wie Generationen einenden Samstagabendunterhaltung, von einem Deutschland, das in der Offenburger Stadthalle zusammenkommt, um gemeinsam Spaß zu haben. Nur: Versteht dieses Deutschland überhaupt noch einen gemeinsamen Spaß?
Seit knapp anderthalb Jahren nun moderiert Frank Elstner den 1983 in See gestochenen und längst in bedenkliche Schieflage geratenen Vergnügungsdampfer, auf dessen Unterhaltungsdeck heute im Übrigen Yvonne Catterfeld, Thomas Anders und ein als Rock’n’Roller verkleideter Sasha unterhalten werden. Drei musikalische Leichtmatrosen, von denen einer immerhin zum Chefsteward im ZDF-„Traumschiff“ taugen würde.
Elstners joviale Art prägte einst eine andere Unterhaltungsshow. Und im nostalgischen Blick zurück könnten sich beide Sendungen, so hofft es die ARD, zu einem „Verstehen Sie Wetten dass …?“ vermengt haben.
Erfahrungen mit der versteckten Kamera hatte Frank Elstner auch schon gesammelt. Zwischen 1995 und 1997 moderierte er „April, April“ beim Privatsender RTL. Eines der vielen sich ähnelnden Sendekonzepte, von denen der Uschi-Glas-Sohn Benjamin Teewag momentan die punkigste Version durchs Musikfernsehen rockt. Dass es aber selbst „Mission MTV“ nicht vermag, Verwirrungen zu stiften, liegt letztlich wohl daran, dass jene Tabus abhanden gekommen sind, die noch symbolisch unterminiert werden könnten.
Ein Dilemma, aus dem kaum ein Ausweg denkbar ist. Es müsste ein Format sein, das dort ansetzt, wo die Spaßgesellschaft ihr Personal angespült hat. Kulturbürger Schmidt hat es ja schon in den letzten Wehen seiner Show praktiziert. Und das wäre die einzige, wirklich öffentlich-rechtliche Antwort auf die gegenwärtige Definitionshoheit der Boulevardkultur: „Verstehen Sie Ernst?“