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Archiv-Artikel

schmiererüberwachung Verständlich, aber übertrieben

Es ist beunruhigend. Seit zwei Wochen schmieren Unbekannte beinahe jede Nacht Davidsterne an Wände und Denkmäler. Es ist verständlich, dass die Jüdische Gemeinde eine akribische Untersuchung der Vorfälle verlangt. Aber es ist völlig übertrieben, dass der Gemeindevorsitzende Albert Meyer gleich nach dem Lieblingsinstrument aller Sicherheitspolitiker ruft: der Videoüberwachung.

KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH

Meyer verlangt eine Abwägung zwischen dem Datenschutz und dem Rechtsgut des Schutzes jüdischer Bürger vor antijüdischen Schmierereien. Das bleibt ihm unbenommen. Doch seine Schlussfolgerung, dass der Schutz jüdischer Bürger hier automatisch überwiegt, ist nicht nachvollziehbar.

Immer wenn etwas Unheimliches, etwas Unverständliches, etwas im Dunkeln Liegendes geschieht, wird nach Aufklärung gerufen. Das soll die omnipräsente Kamera leisten. Doch stets wird dabei das Recht des Unbescholtenen auf Anonymität allzu leicht aufgegeben.

Dem Recht auf Unbeobachtetsein steht nun das Verlangen der jüdischen Bürger auf das Nicht-sehen-Müssen gegenüber. Die Schmierereien – und das liegt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Sinne der Verursacher – erinnern an den Missbrauch des Davidsterns durch die Nationalsozialisten. Die nutzten das jüdische Symbol, um Menschen und Orte zu brandmarken. Das mag man auch den aktuellen Provokateuren unterstellen. Aber man darf nicht vergessen: Sie sind Lichtjahre von der Macht der alten Nazis entfernt. Die Schmierer können gerade mal im Dunkeln ein bisschen Farbe an eine Wand pinseln. Mehr nicht.

Wer nun mit Kanonen auf Spatzen schießt, muss damit rechnen, dass sich die Spatzen am lauten Knall erfreuen.