Versammlungsrecht: Friede wird Bürgerpflicht
Um künftig effektiver gegen rechtsextreme Aufmärsche vorgehen zu können, wollen CDU und FDP in Niedersachsen den "Schwarzen Block" gleich mit verbieten. Der Protest hält sich in Grenzen.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will offenbar dem Vorbild Bayern folgen und das Versammlungsrecht verschärfen. Nach dem Gesetzesentwurf der Koalitionsfraktionen CDU und FDP sollen in Niedersachsen künftig alle Versammlungen verboten sein, mit denen "eine einschüchternde Wirkung verbunden ist". Strafbar macht sich, wer dazu beiträgt, dass eine Versammlung "nach dem äußeren Erscheinungsbild paramilitärisch geprägt wird oder sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt".
Der Gesetzentwurf war vom federführenden Innenministerium bisher stets mit der Begründung angekündigt worden, dass man das Vorgehen gegen rechtsextreme Aufmärsche erleichtern wolle. Das in den Gesetzesentwurf hineingeschriebene "Friedlichkeitsgebot" richte sich nicht gegen harmlose Symbole wie Trommeln, erklärte Ministeriumssprecher Klaus Engemann gegenüber der taz - "es sei denn, dass Nazis damit nationalsozialistisches Gedankengut widerspiegeln". In diesem Fall könnten auch Trommeln "als unfriedliche Symbole gelten".
Im Gesetzesentwurf dagegen wird das zu bekämpfende politische Spektrum explizit nach links erweitert. Das "Unfriedlichkeitsverbot" heißt es in der Begründung zum Gesetzestext, gelte "sowohl für Teilnehmerinnen und Teilnehmer rechtsextremistischer Versammlungen, die mit einheitlicher Kleidung (Bomberjacken, Springerstiefel mit gleichfarbigen Schnürsenkeln), Marschtritt, Trommelschlagen und schwarzen Fahnen an die Tradition der Aufmärsche von SA-Verbänden zum Ende der Weimarer Republik anknüpfen", als auch "für linksextremistische Versammlungen, bei denen sich regelmäßig militante Autonome zu so genannten ,Schwarzen Blöcken' zusammenschließen".
Im Klartext bedeutet dies, dass die Polizei Demonstrationen der autonomen Szene wie im Januar in Göttingen künftig sehr schnell auflösen könnte. "Das geht explizit gegen den Schwarzen Block", sagt die Hamburger Anwältin Ulrike Donat, die bei den G 8-Protesten in Heiligendamm Demonstranten vertreten hat. Der niedersächsische Gesetzesentwurf stecke voller "Gummifloskeln", die es der Polizei leicht machten, unliebsame Zusammenkünfte zu verhindern.
Im März 2008 verabschiedete die bayerische Landesregierung einen Gesetzesentwurf zum Versammlungsrecht, das den niedersächsischen Entwurf vorwegnimmt.
Militanzverbot: Eine Versammlung darf in Bayern weder "paramilitärisch geprägt" sein noch den "Eindruck von Gewaltbereitschaft" vermitteln.
Inkrafttreten: Das Gesetz liegt wegen einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auf Eis. Das Gericht hatte die anlasslose Videoüberwachung bemängelt. Niedersachsen will die Überwachung darum an Bedingungen knüpfen.
So sollen der Versammlungsleiter künftig Auskünfte über sich und, auf Verlangen, auch über diejenigen herausgeben, die bei den Versammlungen als Ordner eingesetzt werden. Wenn ein Versammlungsleiter oder ein Ordner "ungeeignet ist, während der Versammlung für Ordnung zu sorgen", kann er von der zuständigen Behörde abgelehnt werden. Der niedersächsische Gesetzesentwurf führe zu einer "umfassenden Registrierung", sagt Anwältin Donat. Dabei habe das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass niemand von der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abgehalten werden dürfe, nur weil er befürchten müsse, überwacht zu werden.
Der Protest gegen den niedersächsischen Entwurf hält sich bislang in engen Grenzen. Bei einer Aussprache im niedersächsischen Landtag monierten die Grünen, "das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit" werde mit dem neuen Gesetz "nicht aus seiner staatlichen Bevormundung befreit". Der Entwurf enthalte aber "kleine liberale Akzente", so etwa, wenn künftig die "Anmeldepflicht bei Kleindemonstrationen" entfalle.
Kritik kam am ehesten noch von der Linken, die am Donnerstag zu einer Experten-Anhörung lud. Das neue Gesetz sei in Wahrheit ein "Versammlungsverhinderungsgesetz", erklärte die Fraktion danach. Am 7. April soll es im Innenausschuss beraten werden.
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