EU-PARLAMENT UND MITGLIEDSTAATEN VERHINDERN FLÜCHTLINGSSCHUTZ : Versagen in der Praxis
Frankreichs Einwanderungsminister Brice Hortefeux hat vor Malta ertrunkenen Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Toulon die letzte Ehre erwiesen. Man muss ihm dafür dankbar sein, immerhin hat die französische Marine die Leichen geborgen. Die zuständige maltesische Küstenwache weigerte sich. Doch den vier Frauen, zwei Jugendlichen und zwölf Männern nützt die Geste nichts mehr.
Sie steht vielmehr stellvertretend für eine europäische Flüchtlingspolitik, die jeden Sommer wieder die Katastrophe tatenlos auf sich zurollen lässt und dann die Opfer beweint. Dabei sind sich inzwischen alle theoretisch ganz einig, was zu tun ist: Ein abgestimmtes System muss aufgebaut werden, das illegale Einwanderung erschwert und die legalen Möglichkeiten erweitert.
Durch großzügige Kontingente für Arbeitsmigranten auf Zeit könnten die Herkunftsländer zur Zusammenarbeit bewegt werden. Schließlich sind die Geldtransfers der Exilanten für viele Länder die einzige sichere Einnahmequelle. Die Aufklärung über die Gefahren der Reise und über die Misere illegaler Existenz in Europa muss verbessert werden. Strenge Sanktionen für Unternehmer, die illegale Flüchtlinge beschäftigen, sind nötig. Durchreiseländer müssen bei der Unterbringung, Versorgung und Rückführung von Flüchtlingen unterstützt werden.
Der für Flüchtlingsfragen zuständige EU-Kommissar Franco Frattini hat konkrete Vorschläge für alle diese Bereiche vorgelegt. Vielen Abgeordneten im Parlament, das den Vorschlägen zustimmen muss, geht der abschreckende Teil des Pakets zu weit. Sie träumen weiter von einem Europa der offenen Grenzen. Die Mitgliedsländer wiederum zögern, wenn es an die europäische Angleichung nationaler Gesetze und ans Bezahlen geht.
115 Patrouillenboote, 25 Hubschrauber und 23 Flugzeuge haben die europäischen Regierungen für den gemeinsamen Küstenschutz zugesagt. Nicht einmal zehn Prozent davon sind inzwischen eingetroffen. Das ist zynisch gegenüber den Flüchtlingen. Kein Wunder, dass Frattini langsam die Geduld verliert. DANIELA WEINGÄRTNER