Vermeintlicher "Google-Killer" Wikia Search: Die Mit-Suchmaschine
Wikipedia-Gründer Wales will sein "Wikia Search" mit Nutzerhilfe verbessern. Jeder soll die Listen der Suchergebnisse mit wenigen Klicks verändern können - leider auch Spammer.
Jimmy "Jimbo" Wales, Gründer des gemeinnützigen Internet-Lexikons Wikipedia, hat es mit seinem kommerziellen Internet-Start-up "Wikia Search" bislang nicht einfach. Im Januar in einer Vorabversion online gegangen, hagelte es gleich viel Häme für die vollmundig als möglicher "Google-Killer" positionierte Suchmaschine, die im Wikipedia-Stil zusammen mit der Nutzerschaft erstellt werden soll, statt nur auf anonyme Rechneralgorithmen zu setzen. Zu schlechte Ergebnisse spucke Wikia Search aus, zu schwierig bedienbar sei das Angebot, hieß es zum Start in der Fachpresse und in vielen Blogs.
Die Kritik hat sich Wales anscheinend zu Herzen genommen. In dieser Woche präsentierte er eine Umgestaltung des Angebots. Vor allem die Bedienung und Möglichkeit der Nutzerbeteiligung wurden verändert. War es vorher nur möglich, so genannte "Mini Articles" zu Suchbegriffen zu verfassen, darf die Nutzerschaft nun bei der Kernaufgabe der Suchmaschine helfen. Aus Wikia Search wird so eine Art Bastel-Suchmaschine mit Direktzugriff: Gefällt dem Nutzer nach der Eingabe eines Suchbegriffes die von einem Suchroboter erzeugte Ergebnisliste nicht, kann er selbst Hand anlegen und beispielsweise gute Links ergänzen, bestehende Ergebnisse löschen oder Kommentare einfügen. "Das geht alles ganz einfach", erläutert Wales in einem auf dem Wikia-Server befindlichen Video.
Besonders erstaunlich für Erstnutzer dürfte sein, dass die Veränderungen der Suchergebnisse tatsächlich jedem User offen stehen: Eine Anmeldung ist nicht notwendig, man kann sofort losklicken. Eine Liste auf der rechten Seite informiert dabei, welche Veränderungen von welcher Internet-Adresse kamen, was Missbrauch verhindern soll - so lassen sich auch frühere, möglicherweise bessere Ergebnislistenzustände später wieder herstellen. Die dabei verfügbaren Techniken erinnern an das, was man auch von Wikipedia her kennt (auch hier können die meisten Texte von jedem Nutzer editiert werden), wirkt aber etwas einfacher bedienbar. So lassen sich auch Eingabemasken anderer Internet-Angebote mit wenigen Klicks in Wikia Search importieren, um direkt in ihnen suchen zu können - Wales demonstriert das anhand der Filmdatenbank IMDB.
Mit der einfachen Editierbarkeit geht Wikia Search allerdings auch große Risiken ein. So können Spammer, die mit der Manipulation von Suchmaschinen einen Hauptteil ihrer Einnahmen generieren, bei Wales' Angebot gleich selbst Hand anlegen und ihre Werbelinks einpflegen, ohne großen Aufwand betreiben zu müssen. Verhindert werden soll das durch die Nutzerschaft selbst: Sie soll solche Angebote markieren, damit sie ausgelistet werden können. Das klappt allerdings auch nur dann, wenn genügend User Wikia Search verwenden und Lust darauf haben, Spam-Polizei zu spielen. Wales ficht das nicht an: Er setzt auf ähnliche Selbstreinigungsprozesse wie bei der bisher noch wesentlich größeren Wikipedia-Gemeinde, die ebenfalls selbständig gegen Online-Vandalismus vorgeht.
Dass das bei Wikia Search noch nicht recht funktioniert, musste Wales selbst feststellen: Gab man bis gestern "Jimmy Wales" in die Suchmaschine ein, erschien plötzlich ein Bild seiner gequält dreinblickenden Ehefrau, von der er getrennt lebt. Auch klassische Spammer-Begriffe aus dem Erotikbereich zeigen derzeit zum Teil direkt auf Werbelinks, wobei einige davon bereits als "Spam" markiert wurden.
Mit Wikia Search sind viele Hoffnungen verbunden - nicht nur in der Nutzerschaft, die sich eine Alternative zu etablierten Riesen wie Google wünscht, sondern auch bei großen Investoren. In das Start-up flossen bislang mindestens 15 Millionen Dollar an Risikokapitalmitteln, die unter anderem vom E-Commerce-Riesen Amazon stammen. Die Geldgeber hoffen, dass Wales seinen Non-Profit-Erfolg mit Wikipedia, einer der meist besuchten Websites der Welt, auch im kommerziellen Bereich wiederholen kann. Leben soll das Angebot letztlich von lukrativer Werbung, wie dies Google bereits vormacht. Wie viele Nutzer Wikia Search derzeit bereits anzieht, ist unbekannt.
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