: Verlierer Rechtsstaat
■ Der Verdeckte Ermittler soll legalisiert werden
Mit dem Gesetzentwurf, den die Innenpolitiker des Bundsrates gestern vorlegten, soll künftig den Polizeifahndern die Waffe an die Hand gegeben werden, von der sie glauben, daß sie dem organisierten Verbrechen einen empfindlichen Stoß versezten könnte: Der Verdeckte Ermittler. War dessen Einsatz bisher juristisch sehr umstritten und nur in eng begrenzten Feldern zulässig, soll er nun massenhaft die klandestinen Strukturen gut organisierter Verbrecherbanden aufdecken und die Täter zur Rechenschaft ziehen. Der unberirrbare Glaube daran - und die Einstimmigket, mit der die Innenexperten ihren Beschluß faßten, zeugt davon könnte sich dennoch sehr schnell als Trugschluß erweisen. Zu sehen ist dies am Beispiel der USA. Der Maßnahmenkatalog, der gestern vorgelegt wurde, beinhaltet weitgehend Regelungen, wie sie in den Vereinigten Staaten schon lange geltendes Gesetz sind: Zeugenschutz, Bestrafung der Geldwäsche - und der Einsatz von Under-cover-Agenten. In den USA ist die organiserte Kriminalität damit aber nicht aus der Welt geschafft worden.
Sollte der verdeckte Ermittler in der geplanten Form legalisiert werden, wird als wichtigste Folge die Abgrenzung zwischen der Polizei und Geheimdiensten zusehends verwischt. Wes Geistes Kind hinter dem Entwurf steht, zeigt die Haltung des Bayerischen Innenministers Stoiber. Dieser wollte über den Entwurf hinaus noch durchsetzen, daß sich Beamte künftig an „kleineren und mittleren Straftaten“ beteiligen dürfen. Bislang sind die Polizisten immerhin verpflichtet, schon beim Bekanntwerden geplanter Straftaten die Staatsanwälte einzuschalten und beabsichtigte Verbrechen zu verhindern. In der Konsequenz führen solche Vorstellungen (und Stoiber steht hier nur stellvertretend für eine ganze Reihe von sicherheitspolitischen Hardlinern) nur zur Liquidierung des im Grundgesetz verankerten Legalitätsprinzips. Aber auch so wird dieses Vefassungsprinzip unausweichlich aufgeweicht: Wie soll ein Beamter wunschgemäß mafiose Strukturen von innen her aufrollen, wenn er sich dabei nicht selbst in Straftaten verwickelt, oder zumindest von ihnen Kenntnis erlangt?
Die Abgrenzung zwischen Geheimdiensten und Polizei wird aber auch von anderer Seite aufgerollt. Geht es nach den Plänen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, soll die „Vorfeldarbeit“ im Bereich der organisierten Kriminalität den Verfassunsschützern mit der Begründung zugeschustert werden, daß die Polizei dazu gesetzlich nicht in der Lage ist. Wie auch immer dieser Kompetenzenstreit ausgeht, der Verlierer steht fest: Der Rechtsstaat.
Wolfgang Gast
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