Verleihung des Bundesverdienstkreuzes: Späte Ehre für Lisel Mueller

Die Dichterin floh vor den Nazis in die USA, erhielt den Pulitzer Preis, in Deutschland ist sie kaum bekannt. Nun erhält sie das Bundesverdienstkreuz.

Frau sitzt in einem Schaukelstuhl

Lisel Mueller in ihrem Haus in Lake Forrest bei Chicago 1976 Foto: Familie Mueller

BREMEN taz | Sie kommen auf so leichten Füßen daher, ihre Verse, und das Themenspektrum ist so weit: Lisel Muellers Gedichte handeln mal von der Mondlandung, mal von der verrückten Kaiserin von Mexiko, mal von Hetzhunden, die nach der Jagd vom kuschligen Pelz der Karnickel träumen, die sie nun leider zerfetzt haben, und mal, mit feinem hanseatischen Humor, von einem abstrakten Selbst, das immer mehr zum Es wird und sogar aufgehört hat, sich Blumengrüße und andere Ehrbezeugungen zukommen zu lassen.

Na, dann müssen’s halt andere tun: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der am 8. Februar 1924 als Elisabeth Neumann in Hamburg geborenen Poetin, die seit 1939 in Illinois lebt, das Bundesverdienstkreuz verliehen. „Lisel Mueller wurde für ihre Verdienste als Lyrikerin und Übersetzerin ausgezeichnet“, so das Ordensreferat. Gewürdigt werde ihr Lebenswerk. Allen Bemühungen der taz zum Trotz ist das in Deutschland noch immer so gut wie unbekannt, obwohl es ihr international renommierte Auszeichnungen wie den National Book Award und den Pulitzer Prize eintrug.

Denn Mueller schrieb stets in der Sprache Amerikas. Des Landes, das sie gerettet hatte, wie es in einem ihrer Gedichte heißt: Als Schabernack der Geschichte und unverdientes Glück bestimmt sie darin die Tatsache, dank der Flucht ihrer politisch verfolgten Familie weder Täterin noch Opfer geworden, dem NS-Terror entronnen zu sein. Ein Überlebensschuldsyndrom?

Feste literarische Größe

Etwas in der Richtung, ja. Aber eigentlich hat Mueller meist fast schon trotzig darauf insistiert, schrecklich gesund zu sein, ein furchtbar glückliches Leben zu führen, eine ewige Ehe, zwei liebevolle und kluge Töchter, Eigenheim mit Garten im idyllischen Lake County, langweilig wie nur was. Mit anderen NS-Flüchtlingen wie dem Dichter Felix Pollak oder dem Regisseur John Reich vernetzt sie sich. Sie übersetzt Hugo von Hofmannsthal, Anna Mitgutsch und Marie Luise Kaschnitz, wird zu einer treibenden Kraft bei der Gründung des Chicago Poetry Center und zur festen Größe im literarischen Leben der Stadt. Und Chicago galt damals vielen als das literarische Zentrum der USA.

„Ich bin ganz aus dem Häuschen, so sehr freue ich mich darüber“, hatte Kirsten Kappert-Gonther die Ordensverleihung via Facebook kommentiert: Die grüne Bundestagsabgeordnete hatte Mueller fürs Verdienstkreuz vorgeschlagen und im Kulturausschuss des Bundestags in den eigenen Reihen, aber auch parteiübergreifend von CDU bis zur Linkspartei UnterstützerInnen geworben. Diese fabelhafte Dichterin von höchster Stelle für ihr Lebenswerk zu würdigen sei „notwendig“, so Kappert-Gonther zur taz.

Mueller lebt heute zurückgezogen in einem Altenheim in Chicago. Begonnen zu dichten hatte sie erst 1954, nach dem Tod ihrer Mutter; eine Augenerkrankung fing schon in den 1990ern an, ihr Schreiben zu behindern. Seit ihr Mann Paul E., mit dem sie 57 Jahre verheiratet war, Anfang 2001 starb, hat Mueller nichts mehr veröffentlicht.

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