Verkehrswende in den Niederlanden: Mehr Platz für Fahrräder
Die niederländische Hauptstadt bekommt eine spektakuläre neue Tiefgarage, nur für Räder. Das ist nachhaltig, bringt aber auch einige Regeln mit sich.
Von innen gleicht das Parkhaus einer geräumigen Halle. Die säulenartigen Pfeiler verleihen ihm kühle Eleganz. Rollbänder bringen die Kund*innen von der Bahnhofsachse aus nach unten. Der Zugang erfolgt mit der Chipkarte, die in den Niederlanden für alle Bus- und Bahnnetze gilt. 7.000 Fahrräder finden hier Platz, darunter 700 Leihräder, erklärte die kommunale Umgebungsmanagerin Anouk Busger op Vollenbroek unlängst bei einem Ortstermin im Lokalsender AT5.
Die ersten 24 Stunden Parken sind gratis, danach werden pro Tag 1,35 Euro von der Chipkarte gebucht. Sehr bezahlbar – und zugleich ein weiterer Teil des aufdringlichen Konzepts, mit dem die Karte seit ihrer Einführung 2009 quasi unumgänglich gemacht wurde. Andere Beispiele sind die verbindlichen elektronischen Zugangstore zum Ein- und Auschecken sowie Abonnements, die an die Karte gekoppelt sind.
Das neue Fahrradparkhaus steht nicht für sich. Mitte Februar wird hinter dem Hauptbahnhof ein weiteres mit 4.000 Parkplätzen eröffnen. Beide Garagen sind Teil eines Städtebauprojekts namens „De Entree“, an dem rund um den Bahnhof in den letzten vier Jahren gearbeitet wurde. „Die Umgebung wird übersichtlicher, attraktiver, sicherer“, so Umgebungsmanagerin Busger op Vollenbroek: „breitere Radwege und Haltestellen, mehr Bäume, Grün und Wasser.“
Fahrräder „trocken und ordentlich“ geparkt
In Sachen fahrradfreundlicher Infrastruktur und nachhaltiger Mobilität setzen niederländische Städte seit einigen Jahren verstärkt auf Fahrradparkhäuser. Auch in Amsterdam gibt es mehrere davon. Entsprechend positiv sind die Reaktionen von Akteuren aus diesem Feld. Esther van Garderen, Direktorin der Radfahrer*innenvertretung „Fietsersbond“, sagte der taz: „Wir begrüßen eine so große Investition in ein Fahrradparkhaus. Es ist 24 Stunden gratis, das Risiko des Diebstahls ist kleiner, das ist sehr positiv. Aber für Menschen mit Behinderung müssen die Zugänglichkeit verbessert und auch Plätze für Dreiräder geschaffen werden.“
Maud de Vries, Direktorin der Amsterdamer NGO „Bycs“, die sich weltweit für städtische Entwicklung durch Fahrradverkehr einsetzt, findet es „gut für Amsterdam, dass die Stadt in mehr Kapazitäten investiert, um die Verbindung von Fahrrad und Zug noch besser und verfügbarer zu machen. Schön, dass unsere Fahrräder dort trocken und ordentlich geparkt werden können und dass man direkt im Bahnhof ist.“ Schade findet sie, „dass wir das 'fiets-flat'als Monument verlieren“.
Das Fahrrad-Hochhaus, eine zweckmäßige Betonkonstruktion, die auf mehreren Halbetagen 2.500 einfache Fahrradständer enthält, wird tatsächlich verschwinden – genau wie die Reihen chronisch überfüllter ebenerdiger Ständer, die es umringen. Im Februar wird die Stadtverwaltung beginnen, die bisherigen Parkmöglichkeiten zu entfernen, um damit die Umgebung den Planskizzen des Entree-Projekts anzugleichen.
Als die taz sich am Wochenanfang dort umhörte, waren die Reaktionen gemischt. Manche begrüßten die neue Garage, weil sie das bisherige Hochhaus und die Ständer chaotisch oder hässlich fänden. Andere hatten noch nie vom neuen Projekt gehört oder sahen wenig Bedarf für Veränderung. Vermutlich würden sie das neue Parkhaus vor allem nutzen, weil Strafen für diejenigen drohen, die ihre Räder außerhalb abschließen.
Im Zentrum wird das gleiche Prinzip der Strafen und Parkverbote langsam an immer mehr Orten eingeführt: Dort signalisieren in den Boden eingelassene rot-blaue Schilder, dass Parken nicht erlaubt ist. Der Verkehrspsychologe Gerard Tertoolen sagte in der Regionalzeitung Noordholland Nieuws, Fahrradfahren werde komplexer: „Die Psychologie des Fahrrads ist gerade, sehr schnell von einem Ort zum anderen zu kommen. Stellt man das infrage, wird das Fahrrad weniger attraktiv“ – etwa weil man sich plötzlich auch Gedanken über die Parkregeln machen muss.
Das Beispiel Amsterdam zeigt, dass die Förderung nichtmotorisierter Mobilität auch die Fahrradkultur verändern kann. Laut Verkehrspsychologe Tertoolen wird das Rad mehr wie das Auto. Fietsersbond-Direktorin Esther van Garderen sagt es so: „Die Zeit, als du angekommen bist, dein Rad an irgendeine Brücke gekettet hast und zum Zug gelaufen bist, ist vorbei.“
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