: Verkehrsinfarkt im Dauerstau
Der Ausbau wichtiger Güterzugverbindungen wird immer wieder verschoben. Dabei ist die Verkehrswende überfällig: 2015 werden sich 60 Prozent mehr LKW auf den Autobahnen drängeln
AUS DÜSSELDORFANDREAS WYPUTTA
Aller Staus zum Trotz bleibt der Ausbau wichtiger Bahnlinien in Nordrhein-Westfalen ungewiss. Während die Grünen auf die Vorlage einer Gesamtverkehrsplanung drängen und die SPD die Reaktivierung alter Güterzugstrecken wie des so genannten Eisernen Rheins anmahnt, setzt Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) auf immer neue Gutachten.
Dabei droht auf Nordrhein-Westfalens Autobahnen und Bundesstraßen der Dauerstau. Laut Bundesverkehrsministerium wird der Autoverkehr bis 2015 um rund 16 Prozent zunehmen – im Güterverkehr gelten sogar Steigerungsraten bis zu 60 Prozent als wahrscheinlich. Ein Ausweichen auf die Schiene aber ist kaum möglich: Gerade international wichtige Strecken zu den Seehäfen Rotterdam und Antwerpen sind nicht fertig oder noch in Planung.
So hat etwa die niederländische Seite ihren Teil der „Betuwe-Linie“, die das Ruhrgebiet mit Rotterdam verbinden soll, längst modernisiert: Die elektrifizierte, lärmgeschützte Strecke ist dreigleisig ausgebaut, um einen kombinierten schnellen Personen- und Güterverkehr zu ermöglichen. Auf deutscher Seite aber streiten sich Bund, Bahn und Land um Form und Kosten des Ausbaus. Der Grund: Die Bundesregierung will die deutschen Seehäfen Wilhelmshafen und Bremerhaven stärken. Die aber fürchten die starke Konkurrenz aus dem niederländischen Rotterdam ebenso wie aus dem belgischen Antwerpen – auch wenn dies offiziell niemand so sagt. Nur vorsichtig spricht Oliver Keymis, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Düsseldorfer Landtag, von einer „anderen Wahrnehmung“ Berlins: Die „Betuwe“ hat in der deutschen Hauptstadt alles andere als oberste Priorität.
„Eine gesamteuropäische Verkehrsplanung ist nicht vorhanden“, kritisiert auch Dirk Jansen, Sprecher des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Nordrhein-Westfalen. So streiten die Niederlande und Belgien um die Güterzugverbindung zwischen Ruhrgebiet und Antwerpen, den Eisernen Rhein. Um Antwerpen zu schwächen, haben die Niederlande die Benutzung der 1991 stillgelegten Strecke lange blockiert. Nach einem Spruch des Den Haager Schiedsgerichts aber ist klar: Belgische Güter dürfen durch die Niederlande rollen – zumindest auf der historischen Trasse von 1871. Doch auch auf deutscher Seite gibt es Bedenken. Zu groß sei die Belastung der Anwohner, glaubt nicht nur BUND-Sprecher Jansen: „Gerade am Niederrhein läuft die Strecke mitten durch die Vorgärten der Anwohner.“
Die SPD setzt dennoch auf den Eisernen Rhein. „Unverzichtbar“ sei der für die „wirtschaftlichen Chancen des Ruhrgebiets“, argumentiert Axel Horstmann, bis zum Machtwechsel im Mai selbst Verkehrsminister. Sein Nachfolger Oliver Wittke dagegen laviert. „Der Eiserne Rhein ist tot“, hatte der ehemalige Bürgermeister Gelsenkirchens noch im Dezember verkündet. Am vergangenen Donnerstag folgte im Landtag die Kehrtwende. Wittke versprach, die historische Trasse sowie Alternativen noch einmal durch ein Gutachten überprüfen zu lassen – dabei liegen allein aus dem Jahr 2001 nicht weniger als drei Gutachten vor.
Doch die Argumente gegen den Eisernen Rhein sind längst klar: Die Trasse ist eingleisig, nicht elektrifiziert, belastet Anwohner und führt mitten durch das Naturschutzgebiet Schwalm-Nette. Als mögliche Alternative böte sich eine Strecke von Venlo ins Ruhrgebiet entlang der Autobahnen 67 und 40 an. Doch wann die gebaut wird, weiß niemand, sagt der Grüne Keymis: „Vorsichtig geschätzt würde der Bau mit 500 Millionen Euro doppelt so teuer wie der Eiserne Rhein.“