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Verkehrsexperte fordert Kerosinsteuer"1.000 Euro pro 1.000 Liter Kerosin"

Grenzüberschreitende Flüge seien der blinde Fleck des Kioto-Rechenweges, kritisiert Verkehrsexperte Schallaböck. Flugverkehr schade dem Klima 6-mal so viel wie bisher angenommen.

Bei einem Euro Kerosinsteuer pro Liter würde ein Flug innerhalb Europas etwa 30 Euro mehr kosten. Bild: dpa

taz: Herr Schallaböck, Ihrer neuen Studie zufolge belastet der Luftverkehr das Klima wesentlich stärker, als die Bundesregierung sagt. Wie kommt das?

Karl Otto Schallaböck: Die Bundesregierung ermittelt den Klimaschaden aus dem Luftverkehr formell nach dem im Kyoto-Prozess vorgegebenen Rechenweg. Danach gehen in die Klimabilanz der Bundesrepublik nur die Inlandsflüge ein, 10 Milliarden Passagierkilometer. Den allergrößten Teil des deutschen Flugverkehrs machen aber die grenzüberschreitenden Flüge aus, nämlich 180 Milliarden Passagierkilometer. Die müssen zwar für die nationale Klimabilanz nicht berücksichtigt werden. Aber sie schaden dem Klima natürlich trotzdem. Dazu kommt, dass nach dem Kyoto-Rechenweg nur Kohlendioxid berechnet wird: Andere klimaschädliche Gase - Wasserdampf und Stickoxide - bleiben außen vor.

In welcher Bilanz taucht der Klimaschaden von zwischenstaatlichen Flügen auf?

In keiner. Deshalb kann die Luftfahrtindustrie ja auch behaupten, nur für zwei, drei Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Problems verantwortlich zu sein.

Wie viel sind es tatsächlich?

Nach dem Kioto-Rechenweg trägt der Flugverkehr nur zu 0,5 Prozent zur deutschen Klimabilanz bei. Mit dem grenzüberschreitenden Verkehr sind das beim Kohlendioxid schon 3 Prozent. Rechnet man die anderen Treibhausgase dazu, ist der Flugverkehr schon mit 8 Prozent an der Klimaschuld beteiligt. Wenn er weiter wächst wie zuletzt, wird die Branche das Klima 2013 so stark belasten wie der Pkw-Verkehr: mit etwa 92 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent.

CDU-Kanzlerin Angela Merkel hat bereits 1995 als Umweltministerin gefordert, Flugbenzin zu besteuern. Passiert ist nichts. Was bedeutet das?

Dass Deutschland schwerlich sein Klimaziel schaffen wird. Dabei ist dies Ziel mit - minus 40 Prozent bis 2020 - ohnehin nicht übertrieben engagiert.

Wieso? Andere Länder und die Bundesregierung halten das Ziel für vorbildlich!

Die beiden Enquête-Kommissionen des Bundestages hatte in den 90er-Jahren einstimmig gefordert, den deutschen Treibhausgas-Ausstoß von 1990 bis 2020 zu halbieren. Dafür hat es aber nie die notwendigen Mittel gegeben. Daran hat sich nichts geändert, wie die Politik beim Verkehr in der Luft belegt. Wird aber jetzt nichts getan, lassen sich die Klimabelastungen durch den Flugverkehr in 20 bis 25 Jahren nicht mehr durch andere Maßnahmen kompensieren.

Wie hoch müsste eine Flugbenzin-Steuer ausfallen?

Für eine deutliche Lenkungswirkung müssten es 1.000 Euro pro 1.000 Liter Kerosin sein. Das würde einen innereuropäischen Flug um etwa 30 Euro verteuern.

Das bedeutet: Fliegen wird zum Privileg der Reichen?

Wenn man über die Preise reguliert, trifft man immer die Armen zuerst. Aber 30 Euro mehr pro Ticket werden nur selten dazu führen, dass man sich eine Flugreise nicht mehr leisten kann. Deshalb brauchen wir noch flankierende Maßnahmen. Pro Einwohner und Jahr gibt es derzeit in Deutschland statistisch betrachtet eine halbe Flugreise: Also bis nach Mallorca, aber noch nicht zurück. Alle Prognosen gehen davon aus, dass es in wenigen Jahren eine ganze Reise sein wird. Das sollte vermieden werden.

Zum Beispiel wie?

In den USA gibt es eine Kapazitätsgrenze für Nationalparks. Die jeweilige Verwaltung lässt nur eine bestimmte Anzahl von Besuchern ein. Wenn der Nationalpark voll ist, ist er eben voll. Solche Überlegungen kann man auch im Flugverkehr anwenden.

Der britische Außenminister David Miliband hatte in seiner Zeit als Umweltminister einen privaten Flugmeilen-Handel vorgeschlagen: Jeder Brite darf 2.000 Meilen im Jahr fliegen. Wer mehr will, muss Meilen kaufen - ähnlich wie beim Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten. Was halten Sie davon?

Das ist ein Verfahren, mit dem man begrenzte Ressourcen allokieren kann. Langfristig müssen wir unsere Emissionen von derzeit über 10 auf 2 Tonnen CO2-Äquivalent je Einwohner und Jahr senken. Das bedeutet: Jeder Mensch verfügt über ein Kontingent CO2. Und er kann selbst entscheiden, wie er das nutzt. 2 Tonnen CO2-Äquivalent entstehen etwa durch einen Flug von Berlin nach New York - pro Richtung.

INTERVIEW: NICK REIMER

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