: Verkehrsberuhigung tritt auf der Stelle
■ Bezirksversammlung Eimsbüttel vertagte Beschluß über Grindelhof-Sperrung Von Marco Carini
Bitte warten. Am Mittwoch abend vertagte die Bezirksversammlung Eimsbüttel erneut einen rot-grünen Antrag, den Grindelhof zunächst auf ein Jahr befristet für den Durchgangsverkehr zu sperren. Der Grund für die Warteschleife: In letzter Minute waren Differenzen zwischen der AnwohnerInneninitiative, SPD und GAL über die Details der Verkehrsberuhigung aufgetaucht. Erst wenn diese behoben sind, will die rot-grüne Bezirksmehrheit den Antrag absegnen.
Das letzte Wort aber hat die Baubehörde. Zwar hat diese ihre Bereitschaft signalisiert, den Grindelhof aus dem vor Verkehrsberuhigungsmaßnahmen geschützten Vorbehaltsnetz für Straßen mit übergeordneter Verkehrsfunktion herauszunehmen, doch Baubehörden-Sprecher Jürgen Asmussen betont: „Es ist völlig offen, ob die vom Bezirk favorisierte Straßensperrung in die Praxis umgesetzt wird“.
Denn bei der endgültigen Entscheidung haben auch die Innen- und vor allem die Wirtschaftsbehörde ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Und der flüstern bereits die Sperrungs-Gegner ins Ohr, warum sie den Verkehrsberuhigungs-Schnickschnack doch bitte blockieren soll. So macht der Christdemokrat Berndt Röder in der geplanten Verkehrsberuhigung „neue Foltermethoden gegen autofahrende Bürger“ aus. Und Günter Dorigoni, Verkehrsexperte der Handelskammer malt, wie schon bei der Präsentation von Eugen Wagners Konzept zur Radverkehrsplanung, in düstersten Farben den Untergang des Wirtschaftsstandorts Hamburg an die Wand.
Nur wenn den Verkehrsberuhigungsforderungen von Bürgerinitiativen und Bezirkspolitikern „energisch begegnet“ werde, so Dorigoni, sei der Konkurs oder die Abwanderung von für die Nahversorgung wichtigen Einzelhandelsunternehmen noch zu verhindern. Die Handelskammer fürchtet eine „Kettenreaktion“ oder gar einen „Flächenbrand“, wenn erstmal eine Hauptverkehrsstraße gesperrt wird, und verweist auf Begehrlichkeiten auch in anderen Bezirken, die durch die Grindelhof-Sperrung Auftrieb erhalten könnten.
So tüfteln SPD- und GAL-BezirkspolitikerInnen seit Jahren an einer Verkehrsberuhigung des Schulterblatts per Einbahnstraßenregelung – die Baubehörde aber blockt bislang ab. Im Bezirk Hamburg-Nord beschlossen die SPD und die GAL schon vor zwei Jahren, den Mühlenkamp für den Individualverkehr zwischen Poelchaukamp und Gertigstraße dichtzumachen. Als die SPD den Antrag vergangene Woche im bezirklichen Kerngebietsausschuß erneut zur Abstimmung stellte, brachte ihn die GAL allerdings gemeinsam mit der CDU zu Fall.
Der Grund: Die GAL bastelt zusammen mit dem „Verkehrsplenum Winterhude“ und den in der „Werbegemeinschaft Mühlenkamp“ organisierten Einzelhändlern an einem Verkehrsberuhigungskonzept für den Stadtteil. Das Kalkül der Grünen: Stimmen die örtlichen Einzelhändler zu, kann Handelskammer-Verkehrsspezi Dorigoni kaum ihren wirtschaftlichen Untergang herbeireden – die Wirtschaftsbehörde wäre ruhig gestellt.
Doch Bernt Farcke rechnet nicht damit, daß ein gemeinsames Konzept von der Baubehörde umgesetzt werden würde: „Dazu bedarf es einer anderen politischen Konstellation im Rathaus – wir planen langfristig“. Denn eine Verkehrsberuhigung großen Stils, das zeigten die Haushaltsberatungen des alten SPD-Senats für 1994, gilt zur Zeit als „nicht finanzierbar“.
So legte die Baubehörde ihre Pläne, fast die gesamte Innenstadt in eine für den motorisierten Individualverkehr gesperrte Fußgänger- und Fahrradzone zu verwandeln, unter Ex-Finanzsenator Curillas gestrengem Blick freiwillig auf Eis. „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“, weiß zwar Behördensprecher Asmussen. Doch er weiß auch, daß in Eugen Wagners Ressort in den kommenden Jahren andere Prioritäten gelten werden: „Der Wohnungsbau hat jetzt eindeutig Vorrang“.
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